Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)
Vibrieren, das ihr durch und durch ging. Ein kaum hörbarer, eher fühlbarer Ton, laut genug, dass sich ihr die Nackenhaare aufstellten.
»Der Wasserfall.« Laut zu sprechen half dabei, die düstere Atmosphäre zu vertreiben. »Er ist so nah, dass der gesamte Berghang bebt. Sich vorzustellen, die ganze Zeit damit zu leben. Da wird man doch verrückt.«
Zufrieden darüber, dass sie dem Rätsel auf die Spur gekommen war, machte sie sich daran, das nächste zu lösen. Kletterte über ein paar Kisten, die zwischen ihr und derjenigen ganz hinten in der Ecke standen, auf die sie es abgesehen hatte. Wie erwartet befanden sich die Telefonlisten des Reviers darin, ordentlich in einer Kladde gesammelt. Rasch blätterte sie alles durch, bis sie an dem Tag vor Sams und Joshs Mord angelangt war.
Und fand nichts. Die fraglichen Daten waren fein säuberlich aus dem Hauptbuch entfernt worden.
Sie ging in die Hocke. Manchmal hasste sie es, recht zu haben. Niemand außer Hal Waverly hätte die Aufzeichnungen verändern können, ohne dass es jemandem auffiel.
Hatte Logan ihn bestochen? Sie holte ihr Handy hervor.
»Clemens.« Der Analytiker klang leicht resigniert, als hätte er schon vor dem Abheben gewusst, dass sie dran sein würde.
»Ich bin’s wieder.« Sie ignorierte seinen Tonfall. »Gibt’s schon etwas Neues von der Waffenregistrierungsnummer?«
»Caitlyn, ich bin gerade erst zur Tür rein.«
»Gut. Nun, das hier wird einfach. Ist Ihr Computer hochgefahren?«
»Ja.«
»Dann überprüfen Sie doch bitte die Finanzen von Hal Waverly, dem Polizeichef von Hopewell. Falls Sie seine Sozialnummer und das Geburtsdatum be–«
»Nein, die habe ich. Gibt nicht besonders viele Hallenforth Waverlys in Hopewell, New York.«
»Hallenforth? Im Ernst?« Gott, sie wäre beinahe mit dem Kerl ins Bett gestiegen und kannte noch nicht einmal seinen richtigen Namen! Vielleicht gab es da noch eine Menge anderer Dinge, die sie nicht über Chief Waverly wusste. Sie klemmte sich das Handy zwischen Ohr und Schulter und stapelte die Kisten wieder übereinander, so wie sie sie vorgefunden hatte. Bis auf die Kladde mit der gefälschten Telefonliste, die sie in ihre Tasche gesteckt hatte.
»Da hab ich’s«, brach Clemens Stimme in die Stille. »Was möchten Sie wissen? Momentan sieht alles sauber aus. Nur scheint er vor zwei Monaten eine enorme Gehaltserhöhung bekommen zu haben. Denn am ersten jeden Monats hat er jeweils zehntausend eingezahlt.«
Sie runzelte die Stirn. Hal hatte ihr erzählt, die Stadt sei pleite. Auf keinen Fall hatte er eine Gehaltserhöhung bekommen. Also wer zum Teufel bezahlte ihn? Und wofür?
»Gehen Sie zwei Jahre zurück!« Sie schlängelte sich zwischen den Karton hindurch auf die Haustür zu. »Zu der Zeit, als Sam Durandt umgebracht wurde.«
»Okay. Wow, Sie haben recht. Der Kerl war bis über beide Ohren verschuldet. Das Krankenhaus und einige Pharmafirmen wollten bereits klagen, die Bank das Haus pfänden – Riesenprobleme.«
»Und?« Sie blieb in der Diele hinter der Haustür stehen und wartete auf seine Antwort, obwohl sie das ungute Gefühl im Magen bereits kannte.
»Die haben sich in Luft aufgelöst. Hat ungefähr einhunderttausend bar auf den Tisch gelegt und auch alle anderen Rechnungen bezahlt, bis auf die zweite Hypothek.«
»Wann war die große Bareinzahlung?«
»Vor zwei Jahren, Ende August. Wurde auch Zeit. Die Bank wollte sein Haus am ersten September pfänden. Hat’s gerade noch geschafft, der Glückspilz.«
»Mit Glück hatte das nichts zu tun. Danke, Clemens!«
»Gern geschehen. Hey, wenn das alles vorüber ist, könnten Sie mir dann vielleicht bei meiner Bewerbung für die Academy helfen? Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe die Arbeit hier im Labor, aber ich würde gerne auch im Außendienst arbeiten, so wie Sie.«
Caitlyn hätte beinahe laut losgelacht. Sie versuchte, sich den Wissenschaftler in diesem Haifischbecken der Agenten vorzustellen, in dem man nie wusste, wem man trauen konnte. »Seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie sich wünschen! Und rufen Sie mich an, wenn die Ergebnisse reinkommen!«
Sie legte auf und trat nach draußen auf die Veranda. Die Sonne stand hoch genug am Himmel, um den Hof und die Einfahrt hell erstrahlen zu lassen, unter dem Dach der Veranda war es jedoch immer noch schön schattig. Sie straffte die Schultern und ging zurück zu ihrem Wagen.
Es war an der Zeit für ein paar Antworten.
40
Sarahs Gedanken drehten sich wie der Minutenzeiger der
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