Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)
umwerfend gewesen war?
Möglicherweise hatte diese Alice-im-Wunderland-Migräne ihre Urteilskraft in mehrfacher Hinsicht getrübt. Anders konnte sie sich diese Verwandlung nicht erklären.
»Alan ist hier«, sagte er und deutete mit dem Kinn auf die Tür.
Sie wartete, doch er lieferte keinerlei Erklärung. »Alan?«
»Alan Easton. Er ist in die Stadt gezogen, nachdem du das letzte Mal hier warst. ’Ne große Nummer unter den Anwälten für Opferrechte. Er wollte Sarah dabei helfen, Damian Wright zu treffen, damit sie herausfinden könnte, wo Sam und Josh vergraben sind.«
Sie lehnte sich an ihr noch warmes Auto. Ein Anwalt für Opferrechte hier in dieser Einöde, der Sarah dabei half, den Mann zu befragen, der ihren Mann und ihren Sohn höchstwahrscheinlich gar nicht umgebracht hatte? Das wurde immer merkwürdiger.
»Sagtest du Alan Easton?«, fragte sie, als bei ihr endlich der Groschen fiel.
»Ja. Hast du von ihm gehört?«
»Klar. Er soll sehr gut sein«, log Caitlyn. Sehr gut darin, sich vor einem Geschworenengericht herauszureden, seine Haut zu retten, ohne etwas über seinen russischen Boss preiszugeben.
Sie schlenderte in die Wache und scheuchte die drei Gestalten auf, die sich in der Nähe der Zelle zusammengedrängt hatten. »Lassen sie sich durch mich nicht stören«, sagte sie und versprühte dabei ihren besten Südstaatencharme, so wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte. Sie streckte dem Fremden die Hand hin. »Sie müssen Alan Easton sein. Sehr erfreut, Sie kennenzulernen.«
Der Anwalt blickte überrascht auf, schien sich schon gegen die Einmischung in ein vertrauliches Gespräch wehren zu wollen, doch als sie ihn anstrahlte, änderte sich sein Gesichtsausdruck. Er ergriff die dargebotene Hand und stand auf. »Und Sie sind?«
»Supervisory Special Agent Caitlyn Tierney«, sagte sie und hielt seine Hand einen Tick zu lange in ihrer.
Easton nickte. »Ich habe Ihren Namen in den Akten gelesen, Agent Tierney.«
»Caitlyn, bitte! Wie ich höre, haben Sie tatsächlich mit Damian Wright sprechen können?«
»Kurz. Ich wollte ihn überzeugen, sich mit Sarah zu treffen, damit sie endlich einen Schlussstrich ziehen kann.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Leider ohne Erfolg.«
»Dennoch würde ich gerne mehr darüber erfahren. Ich meine« – wieder lächelte sie ihn an –, »Sie haben aus erster Hand erlebt, wie die Psyche eines solchen Menschen arbeitet. Jeder Einblick, den Sie mir gewähren können, wäre für mich von unschätzbarem Wert.«
Bestimmt nahm Logan, der sich gegen das Zellengitter lehnte, ihr diesen Quatsch nicht ab. Sie wandte sich ihm zu. »Tut mir leid, dass das hier alles so lange dauert, Jack. Ich habe in Quantico angerufen und um schnelle Bearbeitung der Akten gebeten.« Sie schenkte ihm nun einen längeren Blick, und Logan schien sich etwas zu entspannen. »War das Mindeste, das ich tun konnte, nachdem ich Ihnen gegenüber vorhin so streng war. Sie wissen ja, wie langsam die Mühlen dieser Kleinstadtgerichte mahlen.«
»Danke, Caitlyn! Sehr nett von Ihnen.«
»Und Ihnen schulde ich wohl auch eine Entschuldigung, Mrs Durandt.« Caitlyn kramte nach dem Schlüssel für die Handschellen und löste die Fessel um Sarahs Arm. »Die Waffe, die bei Ihnen gefunden wurde, ist vor zwei Jahren während der Suche nach Ihrem Ehemann als verloren gemeldet worden. Der Deputy, der sie verloren hatte, ist dankbar, dass Sie die Pistole wiedergefunden haben, dennoch wird er wegen seines Leichtsinns wohl mit einem Disziplinarverfahren rechnen müssen, fürchte ich.«
»Einen Moment«, protestierte Alan, als Caitlyn Sarah eine Hand hinstreckte, um ihr aufzuhelfen. »Sie muss hierbleiben. Es gibt noch jede Menge Papierkram, ich werde eventuell eine Gegenanklage erheben –«
Caitlyn legte Sarah einen Arm um die Taille und wischte Alans Einwände mit einer Handbewegung beiseite. »Chief Waverly kann ihnen dabei helfen. Aber ich müsste Mrs Durandt noch um einen Gefallen bitten. Wenn ich Sie nach Hause fahre, könnte ich dann vielleicht bei Ihnen duschen? Ich bräuchte dringend einen Ort, an dem ich mich frisch machen kann.«
Mit angehaltenem Atem wartete sie, ob Sarah anbeißen würde. Sarahs Blick schnellte von Logan zu Easton und wieder zurück. Aha, es war Logan, vor dem sie größere Angst hatte! Sie würde herausfinden müssen, womit er Sarah in der Hand hatte. Sanft zog sie Sarah zur Tür hin.
»Schätze ja, klar«, sagte Sarah, die beinahe gestolpert wäre. »Das wäre kein
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