Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)
wollte nicht.«
»Tja, nun, vergiss nicht, er will nur das Beste für dich.«
»Warum hört er dann nie auf mich?«
Der Colonel lachte. »Wenn du das herausbekommen hast, lass es mich wissen. Meine Kleine ist längst erwachsen und hört immer noch nicht auf mich. Iss du mal dein Frühstück! Wir treffen uns nach dem Mittagsgeschäft.«
»Oben auf der Lichtung beim Damm. Um zwei Uhr?«
»Abgemacht. Und morgen hilfst du dann dafür deinem Dad mit seinen Lieferungen. Vielleicht kann er ein wenig früher Schluss machen, und ihr zwei könnt noch Angeln gehen oder irgendwas in der Art.«
JD schaufelte das Essen in sich hinein. Er war vollkommen ausgehungert. Dann erinnerte er sich an das, was Sam ihm noch aufgetragen hatte. Aber wie zum Teufel sollte er den Colonel dazu bringen, eine Waffe mitzunehmen?
Ehe er zu einer Lösung gekommen war, ging die Tür auf, und ein kleiner Mann mit dichtem schwarzem Haar kam herein. Er kam nicht einfach ins Lokal, vielmehr hatte er ein Auftreten, als gehörte ihm der Laden. Mit dem schwarzen Anzug, dem schwarzen Hemd und der dunkelroten Krawatte sah er reich genug aus, um auf der Stelle genügend Bares für das Café auf den Tresen zu legen. Verflucht, oder gleich die gesamte Stadt aufzukaufen.
Der Colonel richtete sich auf und ging auf den Mann zu; dabei trat er zwischen JD und den Fremden, als würde er spüren, dass mit dem Kerl etwas nicht stimmt.
War das einer von diesen Terroristen? JD wäre beinahe das Frühstück wieder hochgekommen. Ein dicker Kloß setzte sich in seinem Hals fest, bis er nicht mehr schlucken konnte, sondern würgend dasaß.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte der Colonel.
Der Fremde lächelte. Makellose weiße Zähne. Er sah aus wie ein Filmstar: Eine Mischung aus James Cagney und dem weißen Hai.
»Ich scheine mich verfahren zu haben«, sagte er herablassend. »Können Sie mir sagen, wie diese Stadt heißt? Ich folgte einfach der Straße und dann« – er zuckte mit der Achsel, den Blick fest auf den Colonel gerichtet – »war sie hier auf einmal zu Ende.«
Der Colonel lachte und schien sich zu entspannen. »Viele Leute verpassen die Abzweigung unten am Berg. Dieses Dorf heißt Hopewell, und Sie haben recht, die Straße endet hier. Nur ein Weg führt hinein und wieder heraus. Es sei denn, Sie sind eine Bergziege. Warum nehmen Sie sich nicht einen Hocker und frühstücken, ehe sie sich wieder auf den Weg den Berg runter machen?«
»Das hört sich gut an.« Der Mann machte es sich auf einem Hocker am Ende des Tresens bequem und las sich die Karte ganz genau durch. Er sprach mit leichtem Akzent, aber JD konnte ihn nicht einordnen. Der Mann schien es nicht eilig zu haben. Verhielt sich auch sonst nicht wie ein Terrorist, war also nur ein weiterer dämlicher Tourist aus der Stadt, der sich verfahren hatte.
Aber diese Augen – tot wie die eines Fisches, der zu lange in der Sonne gelegen hatte. Der Blick des Fremden ging zu JD hinüber und verweilte länger auf ihm, als es nötig gewesen wäre; er sah den Schweiß auf JD s Stirn, seine pulsierende Halsschlagader am Hals, schien das laute Hämmern seines Herzens hören zu können.
Wieder zeigte der Kerl dieses breite, blendende Lächeln, und JD kam ein schrecklicher Gedanke. Hatten die Terroristen Julia vielleicht schon geschnappt?
Er schoss von seinem Stuhl hoch.
»Hey«, rief ihm der Colonel hinterher. JD erstarrte, traute sich nicht, sich umzudrehen, weil er Angst hatte, der Fremde würde die Angst in seinen Augen sehen. »Nicht vergessen. Zwei Uhr.«
»Nein, Sir«, stammelte JD . »Danke, Sir!«
Er rannte hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
* * *
Caitlyn redete sich ein, sie habe jedes Recht, Hals Zuhause zu betreten. Schließlich holte sie sich nur ihr Eigentum zurück. Und die Tür war nicht verschlossen. Dennoch erschien ihr das Haus unheimlicher als gestern Abend. Nicht mehr warm und einladend, eher wie von einem feindseligen Geist erfüllt.
»Angst vor Geistern, Tierney?«, rief sie sich selbst zur Ordnung, während sie den Flur entlang Richtung Wohnzimmer ging. Sie schnappte sich ihr Handy und steckte es ein. Ihre Bluse lag als faltiges Knäuel auf dem Boden, um sie herum waren kleine Perlmuttknöpfe verstreut.
Sie war eines ihrer Lieblingsstücke gewesen, doch jetzt ließ sie das Kleidungsstück achtlos liegen. Die Kuckucksuhr schlug, und Caitlyn zuckte erschrocken zusammen. Das Haus versank in unheilvoller Stille.
Tatsächlich war es nicht wirklich still. Da war ein leises
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