Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)
traumatisch für ihn. Selbst wenn es ihr das Herz zerriss.
»Wir werden uns wiedersehen.« Sie biss sich auf die Lippe, um das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Wir treffen uns in Costa Rica.«
Sie wandte sich ab, entwand ihm die Hand. Steckte sie wie die andere in ihre Jackentasche, ehe er bemerkte, wie sehr sie zitterte. Dabei berührte sie die Halbautomatik. »Das wird klappen. Costa Rica am vierten Juli. Vor dem amerikanischen Konsulat.«
Sie wusste nicht einmal mit Sicherheit, ob es in Costa Rica ein amerikanisches Konsulat gab, aber es hörte sich gut an. Sie schloss die Finger um den Pistolengriff, strich über den massiven, tödlichen Abzugshahn.
Sam umkreiste Sarah, schüttelte dabei den Kopf und blieb dann eine Armlänge entfernt vor ihr stehen. »Auf keinen Fall. Das würde nicht klappen. Schließlich weiß Alan jetzt, dass ich noch lebe. Gib mir die Pistole! Du gehst zu Josh, und ich kümmere mich um alles.«
Was bedeutete, er würde zum Mörder werden. Oder sterben. So oder so, würde sie ihn für immer verlieren. »Du kümmerst dich um alles. So wie vor zwei Jahren?«
Er erstarrte, verzog das Gesicht. Aber Sarah entschuldigte sich nicht für ihre Worte. Sie hatte nur die Wahrheit gesagt.
»Schätze, das habe ich verdient«, sagte er so leise, dass es kaum bei ihr ankam. »Sarah, du musst mir glauben, dass ich mein Bestes getan habe –«
»Genau das bereitet mir Sorgen, Sam.« Er zuckte zusammen. Sarah ging auf ihn zu, sie konnte ihre Wut nicht länger im Zaum halten. »Mir scheint, du hast dein ganzes Leben versaut. Du wirst niemals verstehen, wie sehr du mich verletzt hast, wie es für mich war, dich und Josh zu verlieren.«
Er schaute zu Boden, als würde er in den Nebelfetzen, die sich um ihre Füße wanden, eine Antwort suchen. »Ich weiß, was du durchgemacht hast. Ich habe dein Tagebuch gelesen.«
Sarah starrte ihn verblüfft an. »Du elender Mistkerl! Wie –«
»Heute, als ich im Haus war, um dir eine Nachricht zu hinterlassen. Alan hatte es, las darin, lachte über dich. Ich konnte es nicht ertragen. Nachdem er fort war, habe ich es an mich genommen. Und es gelesen, während ich auf dich gewartet habe.«
Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder, nahm noch einen Anlauf, erst dann löste sich der Kloß in ihrem Hals. »Dazu hattest du kein Recht; das sind meine geheimsten Gedanken.«
»Ich hätte eher einen Weg finden sollen heimzukommen.« Ihm versagte die Stimme. Eine einzelne Träne lief an seiner Wange hinunter. »Es tut mir so leid. Ich wusste doch nicht, dass du versucht hast, dich umzubringen, ich meine, ich dachte, du warst doch immer so stark, diejenige, die sich um alle anderen kümmert, ich hätte mir nie träumen lassen … «
Sie unterbrach ihn mit einer Geste, drehte ihm dann den Rücken zu und schlang die Arme um ihren Oberkörper. Die Waffe bohrte sich ihr in den Bauch. Wut, Trauer, Zorn, Bitterkeit, Angst – ein Wirbelsturm der unterschiedlichsten Gefühle tobte in ihrem Inneren.
Er trat von hinten an sie heran, legte die Arme um sie. In einem ersten Reflex wollte sie sich aus seiner Umarmung lösen, auf ihn einschlagen, damit er wenigstens einen Bruchteil des Schmerzes empfand, den sie in diesen letzten zwei Jahren erduldet hatte.
Doch gleichzeitig sehnte sie sich tief im Innern nach seiner Berührung, wollte seine Arme um sich spüren und sich nie wieder von ihm lösen. Für einen Augenblick gab sie sich der Sehnsucht hin, schwelgte in der körperlichen Nähe.
Dann löste sie sich. »Wenn Alan das Geld für sich will, wäre es dumm von ihm, Korsakov etwas davon zu erzählen, oder nicht? Also müssen wir nur dafür sorgen, dass Alan niemandem etwas sagt, habe ich recht?«
Er hob die Hände und rieb sich mit den Fingerknöcheln die Schläfen. Sarah wurde ganz anders. Wie oft hatte sie diese Geste gesehen, wenn er mit einem Song nicht weitergekommen war?
Sam blickte zu ihr auf, die Verwirrung in seinen Augen spiegelte ihre eigene wider. Seine Unterlippe bebte, so wie bei Josh, wenn er versuchte, mutig zu sein. »Ich weiß nicht. Schätze schon. Aber darauf können wir es nicht ankommen lassen. Ich bin derjenige, den sie suchen. Also hole du Josh!«
Sie lief noch einmal auf der Lichtung auf und ab, suchte in den im Mondlicht flimmernden nebligen Schatten nach einer Antwort. Es wäre so einfach, zu tun, was er von ihr verlangte – wegzulaufen, mit Josh vereint zu sein –, und zugleich unglaublich schwer. Sie würde ihre restliche Familie niemals
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