Total Control (Das Labyrinth)
schon oft dort unten, und jedes m al hatte ich eine schöne Zeit. Es schien m i r ein logischer Zufluchtsort, obwohl ich in letzter Zeit eher selten logisch denke. Dann ließ ich m i r die Schuhe putzen. Ist das etwa ein Verbrechen ? « Sie schaute vom einen zum anderen. »Ich hoffe für Sie beide, Sie m üssen nie m als ihren Ehepartner beerdigen, ohne überhaupt eine sterbliche Hülle zu besitzen.«
Zornig schleuderte sie die Zeitung zu Boden. »Der Mann in diesem Bericht ist nicht m ein Mann. W i ssen Sie, was unsere Vorstellung von einem Abenteuer war? Im W i nter im Hinterhof zu grillen. Das m eines W i ssens rücksichtsloseste Vergehen, das Jason sich je zu S c hulden ko mm en ließ, bestand darin, gelegentlich zu schnell und ohne Gurt zu fahren. Mit diesem Flugzeugattentat kann er un m öglich etwas zu tun haben. Ich weiß, Sie glauben m i r nicht, aber im Augenblick ist m i r das herzlich egal.«
Bevor sie weitersprach, stand sie auf und lehnte sich gegen den Kühlschrank. »Ich brauchte einfach eine Luftveränderung. Muß ich Ihnen wirklich erklä r en, waru m ? Muß ich das denn wirklich?« Ihre Sti mm e schwoll fast zu einem Kreischen an, ehe sie wieder leiser wurde, und schließlich verstu mm t e.
Sawyer wollte etwas erwidern, schloß jedoch abrupt wieder den Mund, als Sidney die Hand hob. »Ich war einen ganzen Tag in New Orleans. Dann kam m i r plötzlich die Erkenntnis, daß ich nicht vor dem Alptraum davonlaufen darf, in den sich m ein Leben verwandelt hat. Ich habe ein kleines Mädchen, das m i ch braucht. Und ich brauche m ein Kind. Begreifen Sie das? Begreift denn einer von Ihnen überhaupt irgend etwas ? « Tränen begannen zu f ließen. Unablässig ballte sie die Hände zu Fäusten. Die Brust hob und senkte sich heftig. Unver m ittelt setzte sie sich wieder hin.
Rastlos spielte Ray Jackson m it der Ka ff eetasse heru m , während er zu seinem Partner schaute. »Ms. Archer, sowohl Lee als auch ich haben Fa m ilie. Ich kann m i r kaum vorstellen, was Sie gerade durch m achen. Aber Sie m üssen einsehen, daß wir nur versuchen, unsere Arbeit zu tun. Im Augenblick ergeben so viele Dinge noch keinen Sinn. Aber eines steht fest: Eine ganze Flugzeugladung Menschen ist tot, und wer i mm er dafür verantwortlich ist, m uß dafür büßen.«
Aber m als m ühte Sidney sich auf die wackeligen Beine. Mittlerweile quollen die Tränen nur so aus den funkelnden Augen. Ihre Sti mm e klang schrill, nahezu hysterisch. »Ja glauben Sie denn, ich wüßte das nicht? Ich war … dort. In dieser … dieser Hölle!« Die Sti mm e schwoll noch höher an, die Tränen rannen ihr über die Bluse, die Augen waren weit aufgerissen. »Ich habe es gesehen.« Mit wirrem Blick starrte sie die beiden an.
»Alles. Diesen … diesen Schuh …. einen Babyschuh.« Schluchzend sank Sidney auf den Stuhl zurück. Krä m pfe schüttelten ihren Körper, und ihr Rücken bebte wie ein Vulkan, der jeden Augenblick m ehr Elend ausspucken konnte, als ein m enschliches W esen zu ertragen i m stande war.
Jackson stand auf, um ihr ein Handtuch zu holen.
Schwer seufzend, nahm Sawyer ihre Hand und drückte sie sanft. Der Kinderschuh. Auch er hatte ihn gehalten und Tränen bei dem Anblick vergossen. Zum ersten m al be m erkte er den Verlobungsund den Ehering an ihren Fingern. Beide wirkten schlicht und doch wunderschön, und Sawyer war überzeugt, daß sie die Ringe all die Jahre voller Stolz getragen hatte. Gleichgültig, ob Jason Archer etwas Unrechtes getan hatte oder nicht, hier saß eine Frau, die ihn liebte, die an ihn glaubte. Unwillkürlich begann Sawyer zu h o ffen, Jason Archer m öge sich, allen gegenteiligen Indizien z u m Trotz, als unschuldig erweisen. Er wollte nicht, daß Sidney Archer sich dem Verrat ihres Mannes stellen m ußte.
Mitfühlend legte er ihr den kräftigen Arm um die Schultern. Er versuchte sie zu beruhigen, indem er ihr besänftigende W orte ins Ohr flüsterte. Einen flüchtigen Augenblick erwachte eine Erinnerung an die Zeit, als er eine andere junge Frau in ähnlicher W eise festgehalten hatte. Da m als war der Anlaß eine Verabredung zum Schulball m it unglücklichem Verlauf gewesen eine der wenigen Gelegenheiten, bei der er für eines seiner Kinder dagewesen war. W underbar hatte es sich angefühlt, die starken Ar m e um die zierliche, bebende Gestalt zu schlingen und den Sch m erz, die De m ütigung in sich überfließen zu lassen.
Sawyer konzentrierte sich wie d er auf Sidney Archer. Er beschloß, daß
Weitere Kostenlose Bücher