Total Control (Das Labyrinth)
ich eine Nummer anrufe - sagen wir, meine Nummer in der Kanzlei -, und es hebt jemand ab, von dem ich weiß, daß er unmöglich dort sein kann?«
»Jemand hat sich in das Schaltwerk gehackt«, antwortete Fisher, ohne lange zu überlegen.
»Das Schaltwerk?« Inzwischen war Sidney völlig durcheinander.
»So heißt das elektronische Netzwerk, über das sämtliche Kommunikationsformen, vom Münzfernsprecher bis hin zum Mobiltelefon, quer durch die Vereinigten Staaten laufen. Wenn man sich da reinhackt, kann man ungestraft kommunizieren.« Fisher drehte sich zum Computer um. »Um dich nach all dem zu beruhigen, Sid: Ich habe für meinen Computer ein ziemlich gutes Sicherheitssystem.«
»Und wie sicher ist es? Ich meine, kann da wirklich keiner rein?«
Jeff lachte. »Niemand, der alle Tassen im Schrank hat, würde das von seinem System behaupten, Sidney.«
Sidney betrachtete die Diskette und wünschte, sie könnte einfach Seiten aus dem Ding herausziehen und diese lesen. »Es tut mir leid, wenn ich paranoid klinge.«
»Schon gut. Das soll keine Beleidigung sein, aber die meisten Anwälte, die ich kenne, wandeln an der Schwelle zum Verfolgungswahn. Es muß wohl an der Juristischen Fakultät ein spezielles Fach dafür geben. Aber zumindest können wir eines tun.« Er zog den Telefonstecker aus der Rechnereinheit. »Nun sind wir offiziell offline. Ich habe ein erstklassiges Virensuchprogramm auf dem Rechner, für den Fall, daß schon vorher etwas draufgespielt wurde. Ich habe es gerade laufen lassen, also sollte eigentlich alles in Butter sein.«
Er bedeutete Sidney, sich zu setzen. Sie zog einen Stuhl herbei. Gemeinsam betrachteten sie den Bildschirm. Fisher betätigte eine Reihe von Tasten. Ein Verzeichnis der auf der Diskette befindlichen Dateien erschien. Fisher blickte zu Sidney. »Etwa ein Dutzend Dateien. Aus der Bytemenge zu schließen, würde ich auf etwa vierhundert Seiten tippen, wenn es sich um gewöhnlichen Text handelt. Wenn aber viele Grafiken drauf sind, läßt sich die Länge unmöglich schätzen.« Fisher drückte ein paar weitere Tasten. Als sich der Monitor mit Zeichen füllte, funkelten seine Augen.
Sidneys Gesicht wurde immer länger, während sie auf den Bildschirm starrte. Da stand nur Kauderwelsch - hochtechnische Hieroglyphen. Sie wandte sich an Fisher. »Stimmt etwas mit deinem Computer nicht?«
Flink tippte Fisher weiter. Der Monitor wurde schwarz, danach erschien dasselbe digitale Durcheinander. Gleich darauf tauchte am unteren Bildschirmrand ein Kästchen mit einer Befehlszeile auf, in der ein Paßwort verlangt wurde. »Nein, und auch mit der Diskette ist alles in Ordnung. Woher hast du sie?«
»Sie wurde mir zugeschickt. Von einem Mandanten«, antwortete sie ausweichend.
Glücklicherweise war Fisher zu sehr in dieses High-TechRätsel vertieft, um sie eingehender nach dem Ursprung der Diskette zu befragen.
Rasend schnell flogen seine Finger ein paar weitere Minuten lang über die Tastatur. Er ging sämtliche anderen Dateien durch. Doch immer wieder erschien das gleiche Kauderwelsch auf dem Bildschirm, ebenso die Aufforderung für das Paßwort. Schließlich wandte er sich mit einem Lächeln im Gesicht zu ihr um.
»Die Diskette ist verschlüsselt«, meinte er schlicht.
Sidney glotzte ihn an. »Verschlüsselt?«
Fisher betrachtete den Monitor. »Verschlüsselung nennt sich ein Vorgang, bei dem die lesbare Form eines Textes in eine unlesbare umgewandelt wird, bevor man den Text verschickt.«
»Wozu soll das gut sein, wenn der Empfänger den Text dann nicht lesen kann?«
»Doch, das kann er, wenn er das Paßwort für die Entschlüsselung hat.«
»Wie kommt man zu diesem Paßwort?«
»Der Absender muß es dir übermitteln, oder du mußt es bereits kennen.«
Sidney sank auf den Stuhl zurück. Jason mußte das verfluchte Paßwort haben. »Ich habe es nicht.«
»Das ergibt aber keinen Sinn.«
»Wäre es möglich, daß jemand eine verschlüsselte Nachricht an sich selbst schickt?« wollte sie wissen.
Fisher musterte sie. »Das würde niemand tun. Zumindest nicht unter gewöhnlichen Umständen. Wenn man eine Nachricht bereits hat, würde man sie nicht verschlüsseln und über das Internet an sich selbst schicken. Dadurch würde man nur jemandem die Möglichkeit eröffnen, die Mitteilung abzufangen und zu knacken. Aber hast du nicht gesagt, ein Mandant hätte dir die Diskette geschickt?«
Unvermittelt erschauderte Sidney. »Jeff, hast du Kaffee? Hier drin ist es ziemlich
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