Total Control (Das Labyrinth)
Kopf gehen ließ, trat unwillkürlich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Sie war stolz auf Jason. Er verdiente diesen Erfolg, m ehr als jeder andere. Alles deutete auf einen glücklichen Jahresausklang hin. All die langen Nächte. W ahrscheinlich hatte er nur seine Arbeit fertigbringen wollen. All die Stunden voll unnötiger Sorgen. Nun tat es ihr leid, daß sie ihm zuvor am Telefon das W ort abgeschnitten hatte. Doch sie würde ihn dafür entschädigen, sobald er zurüccka m .
Sidney öffnete die Tür, eilte den hübsch gestalteten Korridor entlang und betrat ihr Büro. Rasch überprüfte sie ihre elektronische Post und den Anrufbeant w orter. Keine dringende Nachricht für sie. Dann packte sie die Unterlagen, die sie für die Reise brauchte, in den Aktenkoffer, nahm sich die Flugtickets vom Stuhl, wo ihre Sekretärin sie hingelegt hatte, und verstaute den Laptop in einer Tragetasche. Danach hinterließ sie ihrer Sekretärin und vier weiteren Anwälten der Kanzlei, die sie bei verschiedenen Fällen unterstützten, auf den jeweiligen Anru f beantwortern eine wahre Flut von Anweisungen. Vollgeladen wie ein Packesel wankte sie zurück zum Aufzug.
Am Shuttleflugschalter von US Air am National Airport checkte Sidney ein und nahm bereits wenige Minuten später auf ihrem Sitz an Bord der Boeing 737 Platz. Es sah aus, als ob die Maschine ihren knapp fün f zig m inütigen Flug zum New Yorker Flughafen La Guardia pünktlich antreten würde. Bedauerlicherweise dauerte die Fahrt vom Flughafen in die Stadt fast genauso lange wie die Bewältigung der etwa dreihundertvierzig Kilo m eter, die zwisc h en der Hauptstadt der Nation und der Hauptstadt der Finanzwelt lagen.
W i e gewöhnlich war das Flugzeug voll. Neben ihr saß ein älterer Herr in einem alt m odischen, dreireihigen Nadelstreifenanzug. Vom Hintergrund eines gestärkten He m des m it geknöpften Enden hob sich grell e i ne rote, breit geknotete Krawatte ab. Auf seinem Schoß lag ein abgewetzter Aktenkoffer aus Leder. Nervös ballten sich die langgliedrigen Finger des Mannes unablässig zu Fäusten, während er aus dem Fenster starrte. Rund um die Ohrläppchen sprossen lichte, weiße Haarbüschel. Der He m dkragen hing lose um den runzligen Hals, wie eine Tapete, die sich von der W and löst. An der linken Schläfe und über den dünnen Lippen des Mannes be m erkte Sidney Schweißtropfen.
Schwer f ällig ru m pelte das Flugzeug zur Hauptpiste. Das Bru mm en der Landeklappen, die in Startposition einrasteten, schien den alten Mann zu beruhigen. Er wandte sich Sidney zu.
»Darauf horche ich i mm er«, m einte er m it tie f er, rauher Sti mm e und dem schleppenden Akzent eines Menschen, der sein Leben im Süden verbrachte.
Sidney m usterte ihn m it fragendem Blick. » W orauf ? «
Er deutete aus dem winzigen Fenster. »Darauf, daß die Landeklappen der Tragflächen ein r asten, da m it dieses Ding vom Boden abheben kann. Erinnern sie sich an die Maschine oben in Detroit ? « Er sprach den Na m en so aus, als handle es sich eigentlich um zwei W örter. »Die Piloten hatten vergessen, die Klappen in Startposition zu bringen, und dadurch alle an Bord getötet, m it Ausnah m e dieses kleinen Mädchens.«
Eine W eile blickte Sidney aus dem Fenster. »Ich bin sicher, die Piloten wissen bestens Bescheid«, entgegnete sie. Innerlich seufzte sie. Das letzte, was sie brauchen konnte, war ein ängstlicher Fluggast als Sitznachbar.
Sidney wid m ete sich wieder ihren Notizen und ging rasch noch ein m al die Unterlagen f ü r die Präsentation durch, bevor die Flugbegleiterinnen die Passagiere aufforderten, das Handgepäck unter den Sitzen zu verstauen. Als sie zu einer neuerlichen Überprüfung vorbeika m en, schob Sidney die Doku m ente zurück in den Koffer und diesen unter den Sitz vor ihr. Durch das Fenster betrachtete sie den dunklen, aufgewühlten Strom des Poto m ac. Möwenschwär m e tu mm elten sich auf dem W asser; aus der Entfernung wirkten sie wie durcheinanderwirbelnde Papierschnipsel. Kurz angebunden teilte der Kapitän über die Sprechanlage m it, daß ihr Flug der nächste in der Startreihe sei.
Nachdem die Maschine eine Linkswendung vollzog, um nicht in die Flugverbotszone über dem Kapitol und dem W eißen Haus zu geraten, stieg sie rasch auf die Reiseflughöhe an.
Einige Minuten, nachdem das Flugzeug bei neunundzwanzigtausend Fuß in den Horizontalflug überging, rollte die Stewardeß m it dem Getränkewagen vorbei, und Sidney ließ sich eine Tasse Tee sowie
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