Total Control (Das Labyrinth)
selbst nannten, waren nie darüber hinweggeko mm en. Die Ähnlichkeit des Absturzes einer Boeing 737 der US Air 1994 bei Pittsburgh hatte die Schuldgefühle nur noch verstärkt. Hätte m an das Rätsel von Colorado gelöst, so m einten viele, hätte die Katastrophe von Pittsburgh verhindert werden können. Und nun das hier.
George Kaplan betrachtete den m ittlerweile klaren Hi mm el, und seine Verwirrung steigerte s i ch. Er war überzeugt, daß der Absturz in Colorado Springs zu m i ndest teilweise von einem unberechenbaren Rotor verursacht worden war, der das Luftschiff im Landeanflug erfaßte ein gefährlicher Augenblick f ür jeden Jet. Ein Rotor ist ein Luftwirbel um eine horizontale Achse, hervorgerufen durch Höhenwinde über unebenem Gebiet. Im Fall von United-Airlines-Flug 585 stellten die m ächtigen Rocky Mountains dieses unebene Gebiet dar. Hier jedoch befand m an sich an der Ostküste. Hier gab es keine Rocky Mountains. Zwar ließ sich nicht ausschließen, daß ein außergewöhnlich starker Rotor ein so großes Flugzeug wie den L800 vom Hi mm el zu ziehen ver m ochte, doch Kaplan konnte sich nicht vorstellen, daß dies hier geschehen war. Laut Auskunft der Luftrau m überwachung hatte der L800 aus der Reiseflughöhe von fünfunddreißigtausend Fuß zu fallen begonnen und war kein einziges Mal m ehr hochgezogen. In den gesa m t en Vereinigten Staaten gab es kein G e birge, daß einen derart hohen Rotor hervorbringen konnte. Und die einzigen Berge in der näheren U m gebung befanden sich im Nationalpark Shenandoah und bildeten einen Teil der relativ niedrigen Kette der Blue Ridge Mountains. Allesa m t w i esen sie Höhen von neunhundert bis tausendzweihundert Metern auf und glichen eher Hügeln als Bergen.
Und dann war da noch die Flughöhe an sich. Nor m alerweise läßt sich die Rolle, in die ein Flugzeug gerät, wenn es von einem Rotor oder anderen unberechenbaren at m osphärischen Störungen erfaßt wird, durch E i nsatz der Querruder abfangen. In einer Höhe von neun Kilo m et e rn hätten die Piloten von W estern Airlines ausreichend Zeit gehabt, die Kontrolle wiederzuerlangen. Kaplan war überzeugt davon, daß nicht Mutter Naturs dunkle Seite den Jet aus dem friedlichen Hi mm el gerissen hatte. Nein, es m ußte etwas anderes gewesen sein.
Sein Team würde kurzfristig i n s Hotel zurücckehren, um dort eine Organisationsbesprechung abzuhalten. Vorerst würde m an vor Ort Untersuchungsgruppen für die Bereiche Konstruktion, Elektronik, Überlebensfaktoren, Triebwerke, W etter sowie Flugverkehrskontrolle einteilen. Später würde m an andere Einheiten bilden, um das Verhalten des Flugzeugs auszuwerten, den Sti mm enrekorder sowie den Flugdatenschreiber, das Verhalten der Besatzung, das Schallspektru m , die W artungsprotokolle zu analysieren und m etallurgische Überprüfungen durchzuführen. Es handelte sich um eine langwierige, nervtötende Angelegenheit, die m itunter auch an die Nieren gehen konnte; dennoch würde Kaplan hier nicht abziehen, bevor er jedes Atom der Überreste eines bis vor kurzem noch stolzen, hoch m odernen Düsenjets und seiner fast zweihundert sehr lebendigen Passagiere untersucht hatte. Er gelobte sich, daß ihm die Ursache dies m al nicht durch die Finger rutschen würde.
Langsam ging Kaplan auf seinen Mietwagen zu. Ein außerplan m äßiger Frühling würde sich de m nächst über das Brachland senken: Schon bald würden überall rote Markierungsflaggen sprießen winzige Baken an den Stellen, wo m an Überreste des Fluges gefunden hatte. Rasch und unaufhaltsam brach die Dunkelheit herein. Er blies in die kalten Hände, um sie zu wär m en. Im W agen wartete eine Ther m oskanne m it heißem Kaffee auf ihn. Kaplan hoffte, daß der Flugdatenschreiber ge m einhin als »Black Box« b e kannt, obwohl er eigentlich grellorange war seinem Ruf der Unzerstörbarkeit gerecht wurde. In diese Maschine war vor kurzem eine überarbeitete Version eingebaut worden, und die 121 vom Flugdatenschreiber ge m essenen Para m eter würden ihnen eine Menge darüber erzählen, was dem verhängnisvollen Flug 3223 widerfahren war. Der Flugdatenschreiber und der Sti mm enrekorder waren im oberen Bereich des Ru m pfes zwischen den Heccküchen untergebracht. Nie zuvor war der Ru m pf eines L800 vollständig zerstört worden; zweifellos würde sich dieser Absturz als Härtetest für die angebliche Unverwundbarkeit des Flugdatenschreibers erweisen.
Leider waren Menschen nicht so widerstandsfähig.
Als
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