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Total verhext

Total verhext

Titel: Total verhext Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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beiden anderen Hexen und zog sich Dornen und Kletten aus dem Haar.
    »Hier drin ist es abscheulich«, sagte sie. »Überall schlafen Leute. Sie sind voller Spinnweben. Du hast recht, Esme. An diesem Ort hat sich eindeutig die Kraft der Magie entfaltet.«
    Die drei Frauen wanderten durch das von üppiger Vegetation bedeckte Schloß. Die Teppiche trugen eine dicke Schicht aus Staub und Blättern. Junger Ahorn versuchte entschlossen, den ganzen Hof zu erobern. Ranken zierten die Wände.
    Oma Wetterwachs zog einen schlummernden Wächter auf die Beine. Der fallende Staub bildete dichte Wolken.
    »Aufwachen«, sagte sie streng.
    »Fzhtft«, antwortete der Mann und sank wieder zu Boden.
    »So ist es überall.« Magrat bahnte sich einen Weg durch den Adlerfarn im Küchenbereich. »Die Köche schnarchen, und in ihren Töpfen ist nur Schimmel! In der Speisekammer schlafen sogar die Mäuse!«
    »Hmm.« Oma überlegte kurz. »Vermutlich steckt ein Spinnrad dahinter. Ja, da bin ich ziemlich sicher.«
    »Die Schwarze Aliss?« fragte Nanny Ogg.
    »Sieht ganz danach aus«, erwiderte Oma. Und etwas leiser: »Oder jemand anders hat sich ein Beispiel an ihr genommen.«
    »Sie kannte sich besser als sonst jemand mit Geschichten aus«, sagte Nanny. »Sie begnügte sich nicht damit, nur in einer mitzuspielen. Es mußten immer gleich drei sein.«
    Selbst Magrat wußte von der Schwarzen Aliss, der größten Hexe aller Zeiten. Sie galt nicht unbedingt als böse, war jedoch so mächtig gewesen, daß es kaum einen Unterschied machte. Zu ihren besonderen Spezialitäten gehörte es, Schlösser in hundertjährigen Schlaf zu versetzen und Prinzessinnen aus Stroh Glod 16 spinnen zu lassen.
    »Ich bin ihr einmal begegnet«, sagte Nanny, als sie eine breite Treppe hochgingen. Die Stufen hatten sich in ein Gewand aus grünen Blättern gekleidet. »Die alte Deliria Schnappdich brachte mich zu ihr, als ich noch ein Mädchen war. Zu jener Zeit stand sie bereits in dem Ruf, recht, äh, seltsam zu sein. Fand Gefallen an Pfefferkuchenhäuschen und so.« Sie sprach so traurig wie über eine Verwandte, die ihre Unterwäsche über dem Kleid trägt.
    »Du hast sie besucht, bevor sie von zwei Kindern in ihrem eigenen Backofen eingesperrt wurde, nicht wahr?« Magrat löste ihren Ärmel aus einem Hagebuttenstrauch.
    »Ja. Eine tragische Sache. Ich meine, eigentlich hat sie nie jemanden gegessen. Nun, zumindest geschah es nicht sehr oft. Man munkelte darüber, ja, aber …«
    »So passiert’s«, kommentierte Oma Wetterwachs. »Wenn man sich zu sehr mit Geschichten einläßt, fällt man in Verwirrung. Man kann bald nicht mehr zwischen Realität und Unwirklichem unterscheiden. Und irgendwann ist es zu spät. Dann rastet hier oben was aus.« Sie tippte sich an die Stirn. »Ich mag keine Geschichten. Sie sind erfunden. Und ich verabscheue Erfundenes.« Sie stieß eine Tür auf.
    »Ah, ein Schlafgemach«, stellte sie fest. »Könnte genausogut eine Laube sein.«
    »Hier wachsen die Pflanzen enorm schnell!« wunderte sich Magrat.
    »Das ist Teil des Zaubers«, erklärte Oma. »Dort liegt sie. Ich wußte, daß wir sie hier finden würden.«
    Jemand lag auf dem Bett, umgeben von Rosenbüschen.
    »Und da steht das Spinnrad.« Nanny deutete auf ein Gebilde, das sich vage im Efeu abzeichnete.
    »Rühr es nicht an!« warnte Oma.
    »Keine Sorge. Ich greife das Ding nur am Pedal und werfe es aus dem Fenster.«
    »Wieso wißt ihr so gut Bescheid?« fragte Magrat.
    »Weil es eine Art folkloristischer Mythos ist«, erläuterte Nanny. »So etwas geschah schon häufig.«
    Oma Wetterwachs und Magrat blickten auf die schlafende Schönheit hinab. Das Mädchen mochte etwa dreizehn sein und wirkte silbrig unter der dicken Patina aus Blütenstaub.
    »Ach, ein hübsches Kind«, seufzte die ebenso romantische wie großmütige Magrat.
    Hinter ihnen krachte es, als das Spinnrad auf fernen Kopfsteinen zerbarst. Kurz darauf kehrte Nanny zurück und klopfte sich die Hände ab. »Ich habe so etwas oft gesehen«, behauptete sie.
    »Nein, hast du nicht«, widersprach Oma.
    »Einmal schon«, fuhr Nanny unbeeindruckt fort. »Und ich habe oft davon gehört. Ebenso wie alle anderen. Ein folkloristischer Mythos. Immer wieder wird erzählt, daß so etwas im Dorf des Freundes eines Vetters oder so passiert …«
    »Und es ist tatsächlich der Fall«, bestätigte Oma.
    Sie griff nach der Hand der Schlafenden.
    »Sie schläft, weil …«, begann Nanny.
    »Ich weiß, ich weiß. Ich kenne mich damit aus,

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