Total verschossen
was ich denken soll. Wenn Destiny Recht hat -« Sie hielt inne und erschauerte. »Ich will gar nicht dran denken, was dann passieren könnte.«
»Ich sollte besser gehen«, sagte Max sichtlich widerwillig. »Du brauchst deinen Schlaf.«
»Glaubst du wirklich, dass ich jetzt schlafen könnte? Ich hab Angst, Max.«
Ein weicher Ausdruck huschte über sein Gesicht. Wie um sie zu beruhigen, lächelte er.
»Wenn ich bliebe, würden dich deine Nachbarn für ein zügelloses Weibsbild halten.«
Sie versuchte, sich seinem scherzhaften Ton anzupassen. »Ein zügelloses Weibsbild und eine Alkoholikerin. Mein Ruf ist sowieso ruiniert. Das macht den Kohl auch nicht mehr fett.«
»Nun, offen gesagt hat mir diese Vorstellung neulich ausnehmend gut gefallen. Ich hoffe, in Zukunft noch mehr Tänzchen von dir zu sehen zu kriegen.« Er ließ sie los.
Aber sie wollte nicht, dass er ging. Nein, das war das Letzte, was sie wollte. Ȁhm, Max?
»Ja?«
Sie rang sich ein klägliches Lächeln ab. »Wenn ich dich hier schlafen lasse, besorgst du dann morgen früh trotzdem frische Donuts?«
Als Jamie erwachte, war es schon nach zehn. Sie richtete sich erschrocken auf. In diesem Moment kam Max ins Schlafzimmer. Er trug ein Tablett mit Kaffee und Donuts.
»Keine Panik«, beruhigte er sie. »Ich habe Vera angerufen und gesagt, dass es heute später wird.« Er setzte das Tablett auf dem Bett ab. »Das Frühstück ist serviert.«
Jamie wurde sich plötzlich bewusst, dass sie nackt war. Und in diesem Zusammenhang fiel ihr ein, dass sie gestern, obwohl sie beide so müde gewesen waren, noch einmal miteinander geschlafen hatten. Sie hatte ihn verzweifelt gebraucht, hatte seine Lippen, seine Hände, seinen Körper spüren wollen, ihn in sich fühlen müssen. Nur Max konnte ihr die Angst nehmen und ihr etwas geben, woran sie sich klammern konnte, etwas Gutes, Schönes. Am Ende war sie dann aus reiner Erschöpfung eingeschlafen, aber im Morgengrauen erschrocken aufgefahren, von einem Albtraum geplagt. Max‘ leise, beruhigende Stimme hatte sie wieder in den Schlaf gewiegt, seine starken Arme, mit denen er sie hielt, hatten ihr Geborgenheit und Sicherheit geschenkt.
Aber jetzt, am hellen Tag, hatte sie schon viel weniger Angst. Jetzt war sie vielmehr schrecklich verlegen, weil sie keinen Faden am Leib trug. Sie zog sich die Decke bis unters Kinn.
»Nicht nötig«, meinte Max. »Ich habe schon alles an dir gesehen, jeden Zentimeter. Und ich finde dich bildschön.«
Jamie errötete und griff hastig nach ihrem Kaffee. »Wie sehen meine Augen aus?« Sie fühlten sich ganz verklebt an und brannten, weil sie viel zu wenig geschlafen hatte.
»Sehr blau und umwerfend schön, wie immer.«
Sie bemerkte, dass Max legere Kleidung trug. »Du scheinst ja schon ´ne Weile auf zu sein.«
»Ja, ich bin ins Hotel gefahren, weil ich mich duschen und umziehen wollte.«
Jamie verschlang rasch zwei Donuts und trank ihren Kaffee aus. »Ich springe kurz unter die Dusche«, sagte sie. Dann schaute sie sich um. »Wo ist mein Sleepshirt?«
»Keinen blassen Schimmer.«
»Max?«, fragte sie streng. Wie sie ihn kannte, hatte er ihr geliebtes Shirt in die Mülltonne geworfen. »Ach, was soll‘s.« Sie sprang aus dem Bett und ging ins Bad. Sie konnte Max‘ Blicke förmlich auf der Haut spüren. »Warum machst du nicht ein Foto, Holt?«, warf sie ihm kess über die Schulter zu.
»Nicht nötig. Dein Anblick ist auch so unvergesslich in mein Hirn eingebrannt.«
Jamie war froh, seine neugierigen Blicke aussperren zu können. Sie drehte die Dusche auf, wartete, bis das Wasser warm war, und trat dann in die Kabine. Sie musste an Destinys nächtlichen Überfall denken und bekam gleich wieder Angst. Sie versuchte an etwas anderes zu denken. Vielleicht irrte sich Destiny ja. Hatte sie nicht selbst gesagt, dass ihre Vorhersagen nicht immer zutrafen? Vielleicht war dies ja so ein Fall. Jamie betete, dass es so war, aber sie konnte den panischen, angsterfüllten Gesichtsausdruck der Frau einfach nicht vergessen.
Sie schüttelte den Kopf, um wieder auf klare Gedanken zu kommen. Seit wann glaubte sie überhaupt an Destinys Visionen? Jeder, der behauptete, mit dem Geist eines Verstorbenen herumzulaufen, musste doch verrückt sein, oder nicht? Oder nicht? Sie steckte zu tief in dem Fall drin, das wurde Jamie jetzt klar. Sie hatte zu wenig Distanz. Sie und Max hatten seit seinem Eintreffen praktisch ununterbrochen gearbeitet. Sie brauchte eine Pause. Sie sollte in ihrem
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