Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)
Und was sollte sie verstehen? Vor einigen Jahren war eine Passantin, ein großes Mädchen, bei der Verhaftung von Tolosa von einem Querschläger getötet worden, die noch immer in ihren Albträumen auftauchte, das genügte ihr.
» In jedem Falle, Viviane, sollten Sie dieses Thema bei der morgigen Pressekonferenz vermeiden. Wir werden sagen, dass eine Untersuchung im Gange ist. Und die Sache mit dem Sonett, kommen Sie voran?«
Sie brabbelte ein paar Lügen, die vage und beruhigend genug waren, um den Allmächtigen entmutigt auflegen zu lassen.
Die Berichte der Spurensuche waren da: keine Abdrücke, keine DNA -Spuren von wem und worauf auch immer. Viviane ärgerte sich, schuld waren diese Fernsehserien, sie hatten die Laborarbeit des Erkennungsdienstes öffentlich gemacht. Seither war alle Welt misstrauisch, man zog medizinische Handschuhe über, um anonyme Briefe zu schreiben, manchmal auch bevor man jemanden tötete.
Wachtmeister Pétrel trat ein, ohne zu klopfen. » Commissaire, ein Anruf aus dem Kommissariat am Boulevard Garibaldi. Madame Blum ist ermordet worden, in der Rue Cépré.«
Wer war Madame Blum noch mal? Ach ja, die Grafologin!
Kapitel 10
Viviane stieg in Begleitung des unvermeidbaren Monot in ihren Clio. Sie war wütend auf ihn. Wenn sie darüber nachdachte, dann hatten alle Unannehmlichkeiten mit diesem Holzkopf zu tun. Hätte er nicht die Leiche des Penners woanders hingelegt, würde der Fall jetzt gemächlich zwischen den Händen der 1. Abteilung der Pariser Kriminalpolizei alt werden. Hätte er nicht diese Freundin bei 20 minutes, wäre Viviane nicht in diese Sache mit der idiotischen Vergiftung verwickelt. Wäre er nicht mit der Kopie des Sonetts bei Saint-Croÿ aufgekreuzt, um mit ihm einen auf gebildet zu machen, hätte es wahrscheinlich keinen Anschlag auf ihn gegeben. Die Idee mit der Grafologin, das war seine gewesen. Und wer hatte Élisabeth Blum ausgewählt? Auch er. Diese Umstände häuften sich, ja, sie waren sogar verdächtig. Sie musterte ihn mit einem Polizistenblick.
Aber der liebe Engel lächelte einfältig. » Ja, Commissaire?«
» Hatten Sie Élisabeth Blum schon getroffen?«
» Natürlich, am Donnerstag, um ihr die Fotokopie des Sonetts zu geben und die eines Autografen von Die großherzige Magd, das Baudelaire zur selben Zeit aufgeschrieben hatte. Saint-Croÿ wollte mir das Original nicht anvertrauen, es ist das schönste Stück seiner Sammlung, aber er hat vor meinen Augen eine Fotokopie davon gemacht. Und da es ja darum ging, eine Fotokopie mit einer anderen zu vergleichen, war das nicht schlimm.«
» Wie war sie, diese Frau?«
» Eine nörgelige alte Jungfer. Sie sprach nur widerwillig, mit flüsternder Stimme, wie ein schüchterner Schatten. Sie lebte alleine in ihrer Wohnung, mit einer Katze. Sehr ängstlich: Sie rief mich Sonntagabend an, unzufrieden. Sie hatte eben den Anruf eines anderen Grafologen erhalten, eines gewissen Cucheron, obwohl ich ihr absolute Diskretion garantiert hatte. Das ist wirklich sehr unangenehm für mich. Ich weiß nicht, wo die undichte Stelle war.«
Viviane zog es vor, das nicht aufzudecken, sie hupte, damit eine Vespa ihnen Platz machte. » Hatte sie noch andere Anrufe erhalten? Anrufe, bei denen aufgelegt wurde, sobald sie abnahm?«
» Das weiß ich nicht, Commissaire, davon hat sie nicht gesprochen.« Dem Lieutenant schien es schwerzufallen weiterzureden. Er holte Luft. » Finden Sie diese Serie nicht beunruhigend? Ist Ihnen aufgefallen: Es genügt schon, die Kopie des Sonett-Manuskripts in den Händen gehabt zu haben, um in den Genuss einer Ermordung oder eines Anschlags zu kommen.«
Viviane hupte schon wieder dieser armen Vespa hinterher, die ihr nichts getan hatte, aber das genügte nicht, um Monot zu neutralisieren, der taktlos weiter beharrte: » Mesneux, dann Sie, dann Saint-Croÿ, dann Blum. Nur mich hat es noch nicht getroffen. Und das Medium, haben Sie ihm das Sonett gezeigt?«
Der Lieutenant wurde unerträglich, Viviane seufzte und versuchte abzulenken: » Und die Unsterblichen von der Académie, sind die tot? Und Patricia Mesneux? Nein, Monot, bleiben wir ernst: Hatte Frau Blum schon mit der Analyse begonnen?«
» Ja, und ihrer Meinung nach ist das Manuskript authentisch, es stammt aus der Feder von Baudelaire. Es gab ein paar Ungereimtheiten, über die sie mit mir reden wollte.«
Viviane parkte ihren Clio vor dem Haus der Grafologin, Rue Cépré. Ein schönes, modernes Gebäude mit gepflegtem Rasen und einem Garten,
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