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Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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Rückseite– Le Marrec–, dann wies er ihr die Tür, als wollte er ein liederliches Frauenzimmer verjagen. Sie flüchtete, kläglich.
    Sie wollte nicht ins Kommissariat zurück, wollte nicht, dass Monot sie mit seinem aufrichtigen Kinderblick fragte, wie es gelaufen sei. Noch weniger wollte sie das unterdrückte Lächeln ihrer Samstagstruppe sehen. Sie schämte sich, schämte sich für den Veilchengeruch, der an ihr klebte. Sie wollte gar nichts. Vor drei Wochen hatte der Winterschlussverkauf begonnen, das war jetzt der beste Ort, um nichts zu wollen.
    Sie verbrachte den Tag damit, den Verkäuferinnen zu entkommen und vor ihrem Spiegelbild zu flüchten. Wenn ihr ein Teil gefiel, dann fragte sie in einer Nummer kleiner danach, um sich zum Abnehmen anzuspornen; weil sie aber wusste, dass sie das niemals schaffen würde, probierte sie es dann in einer Nummer größer an, für den Fall des Falles. Darin fand sie sich dann wirklich zu hässlich, matronenhaft, elefantös– und gab es mit einem Schulterzucken zurück. So ging das den ganzen Tag. Ein schrecklicher Tag inmitten dieser ganzen Zicken, denen alles gut stand, inmitten dieser Luder, denen es Freude zu bereiten schien, wenn die Schlange vor den Kabinen zu lang war und sie sich deswegen schamlos mitten im Laden auszogen, um ihre makellose, schlanke Taille zur Schau zu stellen. Viviane passte nichts, alles machte sie hässlich. Schließlich kaufte sie eine schwarze Stretchhose wie im Jahr davor, und eine graue, ziemlich weite, formlose Jacke. Formlos wie sie.
    Sie fuhr nach Hause, um sich die Johannespassion von Bach anzutun, ließ sich eine große Pizza und Gebäck kommen und verbrachte den Abend mit Sudokus. Trennkost stand einen anderen Tag auf dem Plan.
    Sonntag, 3 . Februar
    An diesem Sonntagmorgen war es zu kalt, um als Büßerin in den Wald zu fahren und die Folgen dieses verrückten Abends auszumerzen. Sie ging spät zum Tunesier und kaufte ihm eine Ananas und einen 0 % Magerquark ab. Der Lebensmittelhändler las Le Journal du Dimanche.
    Er hob bewundernd den Kopf. » Haben Sie gesehen? Sie sind in der Zeitung.« Er zeigte ihr den Artikel, der auf Seite vier drei Spalten füllte. Die Überschrift lautete: » Kommissarin beim Medium«, und der Untertitel: » Die Polizei tappt im Fall mit dem Sonett im Dunkeln«– und vor allem gab es ein Foto, augenscheinlich mit einem Zoom aufgenommen: »Kommissarin Lancier von der dritten Abteilung der Pariser Kriminalpolizei«. Ja, das war sie, wie sie mit der Hand über die Marmorplatte Carthago, Beratung fuhr. Daraufhin legte sie ihre Einkäufe wieder weg, kaufte einen Bohneneintopf Toulouser Art in der Dose, einen in Plastik eingepackten Clafoutis, eine Flasche neuen Beaujolais, machte noch einen Sprung beim Zeitungsladen vorbei und ging wieder nach Hause, um dort einen fantastischen Nachmittag zu verbringen.
    Viviane legte die Goldberg-Variationen des lieben Johann Sebastian ein und machte sich über ihr Essen her, um sich Mut zu machen. Sie las Le Journal du Dimanche und leerte dabei die Hälfte der Flasche, damit der Artikel besser rutschte, ebenso der Bohneneintopf.
    Ihre Mutter rief an, das fehlte noch zu ihrem Glück. » Vivi, hier ist Mom, du bist in der Zeitung.«
    Mom war glücklich: Ihre Tochter war in der Zeitung. Das war für sie der Applausmesser ihrer Karriere, sie würde eine Woche lang im Büro davon erzählen. Aber heute würde Mom auf ihrem Glück sitzenbleiben.
    » Ja, aber ich kann jetzt nicht darüber reden, ich liege in der Badewanne.«
    Viviane legte auf. In der Badewanne zu sein war die einzige Möglichkeit, sich ihre Mutter vom Leib zu halten, wenn sie anrief: Mom fürchtete sich vor einem elektrischen Schlag. Die Kommissarin las den Artikel, der so schwer zu schlucken war, noch einmal. Sie vergriff sich am Clafoutis, leerte die Flasche und gab dem Artikel dann noch eine letzte Chance. Aber es half nichts, die drei Spalten stießen ihr immer wieder sauer auf.
    Nach einer kurzen Zusammenfassung der Ermittlungen und Niederlagen der Polizei, die sich bislang nur durch die großartige Lesung des Sonetts vor den Fernsehkameras ausgezeichnet hatte, skizzierte die Journalistin die Pfade, die dieser rätselhafte Fall eröffnete. Sie mokierte sich über den starren Rationalismus der Kommissarin, die während der Pressekonferenz in einer einzigen Handbewegung alle Hypothesen vom Tisch fegte, die ihrem Verständnis widersprachen, um am nächsten Tag ohne Wissen der Medien ein bekanntes Medium

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