Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)
Fragen? Wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie doch Madame Blum, die kann Ihnen alles bestätigen.«
» Das wird ihr schwerfallen, sie hat ein Tuch um den Hals, das sie zu sehr zuschnürt, als dass sie sprechen könnte. Lieutenant Monot wird Ihre Aussage aufnehmen.«
Sie ließ die beiden stehen. Im Gehen hörte sie Monot, wie er den Grafologen beruhigte: Es sei eine reine Formalität, er stehe selbstverständlich nicht unter Verdacht. Viviane wusste, dass ihr Lieutenant leider recht damit hatte.
Sie ließ das Auto im Parkhaus stehen und ging zu Fuß nach Montparnasse. Sie musste nachdenken, brauchte einen Tapetenwechsel, um auf andere Gedanken zu kommen. Es waren wenig Fußgänger unterwegs, die Bistros waren voll. Sie irrte umher wie eine leidende Seele, mit diesem Fall, seinen Strophen und Toten, die schwer auf ihren Schultern lasteten. Sie hätte ein paar Worte der Ermutigung, des Mitleids gebrauchen können, aber sie war nur Bulle, sie wusste nicht, wen sie darum hätte bitten können. Sie strandete schließlich in einer Crêperie und genehmigte sich einen Krug Cidre und zwei herzhafte Crêpes. Sie versuchte, auf der Papierserviette eine Tabelle aufzumalen, in der alle Personen vorkamen, die mit diesem Fall zu tun hatten: Pascal Mesneux, Louis Saint-Croÿ, Astrid Cathago, Élisabeth Blum, Jean-Paul Cucheron. Darunter: deren Umfeld. Normalerweise ergab das fein säuberliche Kästchen, in denen man manche Namen unterstreichen und andere mit Pfeilen und Hinweisen auf Motive miteinander verbinden konnte. Heute Abend ergab das aber nur ein absurdes Patchwork, sie konnte alle beliebig miteinander austauschen. Sogar ihre Leute aus dem Kommissariat.
Wer von ihnen wusste, dass Élisabeth Blum an dem Sonett arbeitete? Das hier war ernster als der unheimliche Streich mit dem Medium, hier endete alles mit einem Todesfall. Eine neue Unvorsichtigkeit? Sie konnte niemanden verdächtigen, sie kannte sie seit Jahren. Außer Monot, von dem sie aber das Gefühl hatte, ihn besser zu kennen als sonst jemanden.
Sie dachte auch, dass sie ihre Männer nie wirklich kennengelernt hatte, dass sie sich damit begnügte, jeden von ihnen in eine Schublade zu stecken, mit der sie sich zufriedengab: Kossowski und seine Boxkämpfe, Juarez’ Kinder, Escoubets Lieblingsgerichte und seine Pferdewetten. Was wusste sie sonst noch von ihnen? War es möglich, dass ein schwaches Glied bestochen worden war, um an Informationen zu gelangen? Bis zu welcher Summe blieb man unbestechlich, und wer von ihnen brauchte Geld? Gamoudi, um sich ein neues Auto zu leisten? Pétrel, der traurige Pétrel, um im Ausland eine Therapie auszuprobieren, die seine noch immer kranke Frau retten würde? De Bussche, um seiner Freundin ein chinesisches Restaurant zu kaufen? Alles war möglich. Nein, es war unmöglich.
Es waren zu viele Dinge in diesen Fall verstrickt, zu viele Leute in den Kästchen. Sie bestellte eine Schokoladen-Crêpe mit Crème fraîche, auf die sie eine Viertelstunde wartete, bevor sie sie innerhalb einer Minute verschlang. Sie ging und nahm die vollgekritzelte Papierserviette mit. Sie fühlte sich sehr allein. Allein wie ein in seinen Ermittlungen verlorener Bulle.
Dienstag, 5 . Februar
Monot war ganz aufgebracht, als er in Vivianes Büro kam. » Es gab ein Element aus den Akten, das bei Madame Blum fehlte: die Katze, wo war die Katze?«
Viviane schaute ihren Lieutenant besänftigt an: Monot hatte aus der Sache mit dem Pancake seine Lehre gezogen, nie wieder würde er ein Element einer Akte unbeachtet lassen. Diese Katze war wahrscheinlich völlig unwichtig, aber sie musste das Spiel jetzt mitspielen. Sie mussten noch einmal in die Rue Cépré.
In ihrem Clio wurde der zutrauliche Monot nun ganz aufgeregt. Er sprühte vor Ideen, es war rührend. Es war nicht nur die Katze, die ihn interessierte, auch das lila Heftchen.
» Cucheron hat ausgesagt, dass Élisabeth Blum hinter ihm zum Fahrstuhl lief, aber das Heftchen war nicht mehr da, also muss es gestohlen worden sein. Der Dieb kann mit dem Schlüssel in die Wohnung gekommen sein, nachdem er sie im Fahrstuhl getötet hat; oder er hat sich Zutritt verschafft, um sie zu töten und dann zum Fahrstuhl zu schleifen; in jedem Fall wollte er unbedingt dieses lila Heftchen haben. Cucheron war es nicht, der hat es schließlich selbst mitgebracht.«
» Haben Sie seine Aussage überprüft?«
» Ja, es war genau, wie er gesagt hat: Die Concierge hat gesehen, wie er sich von Madame Blum verabschiedet hat,
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