Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)
Sonett verschickt zu haben, Monot, aber deswegen ist er nicht unschuldig. Für den Mord an Mesneux hat er ein stichhaltiges Alibi. Aber diese Geschichte mit dem Fahrrad am Sonntag, den 27., ist nicht wasserdicht. Und wegen Montag, den 4., hat er versucht, mich einzuwickeln. Nach dem Treffen hatte er genug Zeit, Miss Blum umzubringen.«
» Warum haben Sie ihn übrigens nicht nach dem 23. Januar gefragt, dem Tag, als man versucht hat, Sie zu vergiften?« Monot schaute sie schelmisch an, Viviane wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie fragte sich schließlich, ob sie nicht tatsächlich das Opfer einer Rizin-Vergiftung geworden war. Ganz unmöglich war das ja nicht. Wenn das so weiterging, würde sie auch noch daran glauben.
Zurück im Büro beauftragte sie Kossowski mit der Suche nach besagtem Cabaret und trug ihm auf, mit dem Foto von Joa durch entsprechende Shows zu tingeln, um zu sehen, ob man dieses Mädchen dort kannte. Kossowski war ganz begeistert. Sie forderte auch Ermittlungen in Beuzeville an, für alle Fälle.
Sie tat das nur der Form halber, ohne daran zu glauben. Sie glaubte in diesem Fall an gar nichts, nicht einmal an ihre Fähigkeit, ihn zu lösen. Sie wusste nicht einmal mehr, in welcher Richtung sie suchen sollte.
Donnerstag, 7 . Februar
Viviane kaute auf dem Rat von Durisly herum wie auf einem alten Kaugummi: » Versuche nicht, Verdächtige zu finden, geh deine Protagonisten noch einmal durch.«
Früh am Morgen bat sie Louis Saint-Croÿ zu sich, um mit ihm zu reden. Er weigerte sich, er habe zu viel Angst, vor die Tür zu gehen, wäre aber bereit, sie in Versailles zu treffen. Sie insistierte, bis er ihr schließlich anbot, sie in der Rue Robert-Estienne zu empfangen. Sie war es leid zu kämpfen und willigte ihrerseits ein. Das Treffen wurde für elf Uhr vereinbart.
Sie klingelte zur verabredeten Zeit bei ihm. Nicht Joa öffnete ihr, sondern eine junge Person von der Statur einer Bäuerin, bekleidet mit einem unförmigen Sportanzug. Sie hatte das Lächeln ihres Vaters, nur etwas weniger betont.
» Sie sind Laurette? Ich bin Kommissarin Lancier. Ich habe einen Termin mit Ihrem Vater.«
» Dann wird er sicher bald kommen. Ich lasse Sie in sein Arbeitszimmer.«
Während die Kommissarin Laurette durch den Flur folgte, betrachtete sie ihre Statur. In diesem zu großen Sportanzug hatte sie den harten Gang eines Vorstadtmädchens. Eine Idee, die sie im Hinterkopf behalten sollte: Von hinten betrachtet konnte jeder in einem solchen Aufzug aussehen wie der Kerl vom Pont-Neuf. Etwas Selbstbräuner, eine schwarz gelockte Perücke, Sonnenbrille, Kapuze, und fertig war die Laube! Viviane versuchte, sich verschiedene Protagonisten des Falls in so einem Aufzug vorzustellen. Entsprechend ihrer Statur schien das bei allen möglich, mit Ausnahme von Louis Saint-Croÿ und Patricia Mesneux.
Im Arbeitszimmer waren die Fensterläden geschlossen.
» Aus Sicherheitsgründen bleiben die ab jetzt zu. Papa möchte das so.«
Viviane nickte und betrachtete die Bibliothek aus Palisanderholz. Das Glas der Vitrine war ausgetauscht worden, aber es blieb eine Lücke, nämlich dort, wo das Buch gewesen war, in das die Kugel sich gebohrt hatte. Laut Labor war es eine .22lfB-Patrone aus einer Manurhin PP Sport-Pistole.
Neben diesem großen plumpen Mädchen fühlte Viviane sich unwohl. Sie wusste nicht, worüber sie mit ihr sprechen könnte. » Haben Sie heute keinen Unterricht?«, fing sie an.
» Nein, donnerstagmorgens nie.«
» Und freitags und montags?«
» Freitags kommt es auf die Woche an. Und montags haben wir non-stop Seminar von zehn bis eins, aber nicht am Nachmittag. Warum fragen Sie das alles?«
» Aus Neugier. Kommt es vor, dass Sie schwänzen?«
» Nein, das ist eine Privatschule, keine Uni. Die Anwesenheit wird in jeder Stunde kontrolliert, mit einem monatlichen Bericht für die Eltern. Als Vater ist Papa ein wenig merkwürdig, aber als Aufpasser ist er sehr streng.«
Die kleine Laurette zögerte. Viviane spürte, dass sie etwas zugeben wollte, das ihr schwerfiel. Das Mädchen hatte keine Mutter, man musste ihr mit psychologischem Fingerspitzengefühl helfen. Viviane schaute sie zärtlich und mütterlich-verständnisvoll an. » Ein wenig merkwürdig? Sie können mit mir darüber sprechen, so ganz unter Frauen.«
» Ach, er ist besessen von meiner Figur, er nervt mich immer wieder damit, dass das für meinen Beruf wichtig sei. Morgens zum Frühstück bereitet er mir meinen Apfel vor, meinen Joghurt,
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