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Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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zwei Scheiben Zwieback, einen grünen Tee, dann bleibt er vor mir stehen, um sicherzugehen, dass ich mich nicht noch zusätzlich mit einer Schale Cornflakes vollstopfe. Es ist idiotisch: Bin ich dann draußen, gehe ich richtig frühstücken. Sie, Sie verstehen das bestimmt: Man kann doch ein bisschen rundlich sein und sich trotzdem in seiner Haut wohlfühlen, oder?«
    Also das war es, du dusselige Kuh! Die Kommissarin kochte: Nein, nicht alle Molligen fühlten sich wohl in ihrer Haut. Das hatten sich die Dünnen ausgedacht, und die Dicken mussten so tun, als ob sie es selber glaubten. » Verstehen Sie sich gut mit Joa?«
    Laurette erwiderte, dass sie weder gute noch schlechte Beziehungen zu Angestellten zu haben hatte. Sie sagte das ganz tonlos. Sie log gut, die Kleine.
    » Und Ihr Bruder, könnte ich mit ihm sprechen?«
    » Pierre-Paul? Der macht ein Praktikum in Brest seit Anfang des Monats bis Ende März. Wir bekommen ihn nicht mehr zu sehen, er hat dort eine Freundin. Er arbeitet mit ihr beim Télégramme de Brest.«
    Ein langes Schweigen lähmte die Unterhaltung. Laurette konnte die Kommissarin anscheinend nicht alleine im Arbeitszimmer lassen, als befürchtete sie den Diebstahl eines seltenen Buchs. Sie schaute unentwegt auf ihre Uhr. Viviane auch. Sie saß jetzt schon eine halbe Stunde hier herum. Sie rief Saint-Croÿ an, erreichte aber nur die Mailbox. Sie ging, begleitet vom schelmischen Lächeln der Kleinen.
    Im Treppenhaus klingelte ihr Handy, es war Monot. » Commissaire, eben rief mich Cucheron an, der Grafologe. Er hat in der Presse gelesen, dass man einen neuen Experten beauftragen würde. Er wundert sich, dass Sie ihn noch nicht angerufen haben.«
    » Das war Ihre Idee, das überlasse ich Ihnen. Sehen Sie, was das nach sich zieht, sich auf einer Pressekonferenz so auszulassen? Je weniger man mit den Medien spricht, desto…«
    » Commissaire, denken Sie daran, dass Sie das nicht sollten…!«
    Er hatte recht, dieser liebe Kleine, sie sollte nicht.
    Zurück im Büro ging Viviane zum Fach, wo die tagesaktuellen Zeitungen lagen. Sie nahm sie mit, um sie während des Essens zu lesen– das ihr seltsamerweise im Hals stecken blieb.

Kapitel 12
    Die Pressekonferenz hatte Wellen geschlagen. Für die Medien war klar: Es gab den Netten und die Böse. Man sagte über Monot nur Gutes, über seine Toleranz, sein Bemühen um Kooperation, seine Offenheit gegenüber den Mysterien, die der Sonett-Fall mit sich brachte. Manch eine Berichterstatterin erwähnte sogar schamlos seine grünen Augen und sein gutes Aussehen.
    Kommissarin Viviane Lancier dagegen war die Engstirnige, die Zicke. Die Mitfühlendsten erklärten ihre Haltung mit den schmählichen Niederlagen, die sie in diesem Fall erlitten hatte. Die Gehässigeren meinten, sie versuche ihren Fehler so gut es ging wieder auszumerzen, nachdem sie einen ehrenhaften Banditen aus den Armen seiner sterbenden Mutter gerissen hatte. Wieso ehrenhaft?, fragte sich Viviane. Und sie, konnte sie nicht auch ein ehrenhafter Bulle sein? Nein, sie war das hässliche Gesicht der Polizei. Daran würde sie sich gewöhnen müssen.
    Um sich abzureagieren, rief sie Saint-Croÿ an und beschimpfte ihn aufs Übelste. Dass er sie hatte sitzen lassen, hatte sie nicht verdaut. Er entschuldigte sich, verstrickte sich: Er habe sich unpässlich gefühlt, als er losgehen wollte, und habe sich hinlegen müssen. Warum er nicht Bescheid gesagt habe? Ja, weil er sich eben unpässlich fühlte! Die Verwunderung der Kommissarin schien ihn zu wundern. Sie gab ihm einen neuen Termin, im Kommissariat. Bevor sie auflegte, warf sie noch schnell ein: » Ah, wo ich gerade daran denke : Sagen Sie Joa, dass sie vorsichtig sein soll. Sie darf nicht ausgehen, man kann nie wissen.« Warum hatte sie das gesagt? Um ein reines Gewissen zu haben. Eine Art Hommage an die niedere Unterhaltungsliteratur. Ja, man konnte nie wissen.
    Am Nachmittag kam der gute Cucheron vorbei, und Viviane ging ihn begrüßen; er saß im Großraumbüro, seinen kleinen Hut und die Pekarileder-Handschuhe in der einen Hand, die Lupe in der anderen. Monot, der ihm die Fotokopien gereicht hatte, die es galt, miteinander zu vergleichen, war einen Meter hinter seinem Schreibtisch zurückgeblieben und rückte noch weiter davon ab, als Cucheron sich vorbeugte, um sein kleines Couplet herunterzuleiern. Der Atem des Grafologen war ein schwerer, widerlicher Gestank nach Schimmel und faulem Zahnfleisch. Dazu etwas Knoblauch, um das Ganze zu verdecken.

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