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Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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mache. Ihnen, weil Joa bei der Kommissarin geblieben war. Sie wiederholte, das sei das Mindeste, was Viviane als Formulierung seltsam vorkam.
    Joa bestand darauf: » Ich werde Sie nicht alleine lassen. Louis braucht mich sowieso nicht mehr, dort wo er ist. Ich werde später beten gehen.«
    Viviane ergriff Joas Hand, sie war ein gutes Mädchen. » Und was meinen Sie, warum er sich umgebracht hat? Wenn er keine Toten auf dem Gewissen hatte, war das doch unnötig.«
    » Warum soll es denn unbedingt nötig sein, wenn sich jemand umbringt? Es war einfach der brave Schüler, der in ihm hochgekommen ist. Er hat sich beim Schummeln erwischen lassen, das hat er nicht ertragen. Die Niederlage, die Schande.« Sie hatte das mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton gesagt, als hätte Viviane ihren Louis gewinnen lassen müssen.
    Ein anderer Arzt kam hinzu, stellte sich als Doktor Gray vor, Chirurg, spezialisiert auf Nephrologie: » Die Kugel befindet sich in der oberen Hälfte der rechten Niere, die sehr beschädigt ist, und er hat viel Blut verloren. Ich kann nicht sofort operieren. Vor der Nephrektomie muss die Niere durch eine osmotische Diurese mit Mannitol gereinigt werden, dann müssen Harnwegsinfekt behandelt und eine Transfusion gemacht werden. Das wird einige Tage dauern.«
    » Und dann?«
    » Dann werden wir eine Operation wagen. Aber ich garantiere für nichts.« Der Chirurg sah sie beide merkwürdig an. Er schien verlegen, wegen einer Frage, die ihn beschäftigte; er zeigte mit dem Daumen auf den Operationssaal hinter sich: » Sie waren neulich in der Sendung von Lavenu. Der Verletzte auch, wenn ich mich nicht täusche? Also…« Es war offensichtlich, dass er darauf brannte, über die Sendung zu sprechen, Viviane ein paar Enthüllungen zu entlocken, die bei einem mondänen Essen für Gesprächsstoff sorgen könnten, aber dann besann er sich auf seinen Anstand und machte sich mit einem weiteren » Also…« und einem endlosen Seufzer davon.
    Joa bat die Kommissarin, sie in der Rue Robert-Estienne abzusetzen. Sie schien nicht zu begreifen, dass sie wegen Vortäuschung einer Straftat, Missbrauchs von Polizeieinsatzkräften und Behinderung der Justiz angeklagt werden würde. Viviane hatte nicht den Mut, es ihr zu erklären. Sie nahm ihr nur das Versprechen ab, sich nicht von zu Hause zu entfernen.
    Dienstag, 19 . März
    Im Großraumbüro waren alle ihre Männer um Viviane versammelt. Sie erzählte ihnen den dramatischen Abend, sie hörten ihr mit verschlossenen Gesichtern zu: Sie hatten die Abwesenheit von Monot bemerkt, ihnen war klar gewesen, dass die Geschichte ein schlimmes Ende nehmen würde.
    Viviane war nun bei der Beichte von Joa angekommen, und sie erahnte den schweren Vorwurf, den ihre Männer aber nie laut äußern würden: Monot war ein Heißsporn, unvorsichtig, natürlich hätte die Kommissarin ihn decken müssen.
    » Juarez, lassen Sie Joa ins Kommissariat kommen! Nehmen Sie sie in Polizeigewahrsam. Gewalt wird nicht nötig sein, sie wird Ihnen alles sagen, was sie weiß.«
    Die Stimmung war so schlecht, dass die Kommissarin froh war, ins Krankenhaus zu entkommen.
    In der Tagespresse wurde die Tragödie mit keinem Wort erwähnt. Viviane hoffte inständig, das möge auch so bleiben. Sie wollte nicht, dass Millionen von Lesern ihr heiliges Recht ausübten, im Rhythmus des Dramas, das sie erlebte, mitzufiebern. Es sollte ihr Kummer sein. Sie wäre bereit gewesen, Monots Mutter Anteil nehmen zu lassen, aber die arme Frau lag im Krankenhaus, nachdem sie einen Herzinfarkt erlitten hatte, als sie vom Unfall ihres Sohnes erfuhr. Die Kommissarin nahm sich vor, sie an Monots Seite zu ersetzen. An Augustins Seite.
    Er lag da, schön wie ein Gisant, schön trotz der Schläuche und Infusionen, die ihn umgaben. Er öffnete die Augen kaum, fragte Viviane mit einer Stimme, die wie ein Hauch war: » Wie geht’s?«
    Der brave kleine Soldat, was konnte sie ihm sagen? Man hatte der Kommissarin eine Viertelstunde gegeben, unter der Bedingung, ihn nicht zu ermüden. Sie fasste Joas Beichte zusammen, er nickte und schloss: » Schade, das Ganze. Es hat mir so gut gefallen, dieses Sonett.« Er machte ihr mit den Augenlidern ein Zeichen näher zu kommen. » Tun Sie mir einen Gefallen: Sie müssen die Sache vor meiner Operation zu Ende bringen.«
    Sie versprach es ihm und ging mit Tränen in den Augen: Worum er sie bat, war ein Abschiedsgeschenk.
    Joa rief sie an. Sie war als freier Mensch aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden,

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