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Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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Beim Thema, Monot, bleiben Sie beim Thema.«
    » Es war kompliziert bei den McDonald’s, weil die Crews ständig wechseln, je nach Tag und Uhrzeit.«
    » Ja, ja, ich weiß«, unterbrach sie ihn, während sie noch überlegte, wer mit » Crews« gemeint war.
    » Ich bin überall umsonst gewesen, die letzte Filiale war die richtige, obwohl sie mir am unwahrscheinlichsten schien, das McDonald’s auf den Champs-Élysées. Er war jeden Morgen dort, sobald es öffnete. Jeder dort kannte ihn. Er ging nach oben zu den Toiletten wie in sein Badezimmer, putzte sich die Zähne und wusch sich den nackten Oberkörper. Man ließ ihn machen. Er war sauber, noch nicht betrunken und störte zu dieser Zeit niemanden. Dann kam er nach unten und aß sein Frühstück. Das musste für ihn der Höhepunkt gewesen sein: Manchmal las er sogar seinem Nachbarn, wenn er einen hatte, ein paar Verse Victor Hugo vor.«
    Sie stellte sich Mesneux vor, wie er jeden Morgen bei McDonald’s wieder bei null anfing. Er hatte sich für ein Leben als Penner entschieden, um vor seinen Victor-Hugo-Vorlesungen zu flüchten und gab dann Victor-Hugo-Vorlesungen, um vor seinem Leben als Penner zu flüchten. Viviane begann diesen Typen zu mögen. Sie wollte diese Sache ins Reine bringen, so unbedeutend sie auch war. Aus Freundschaft zu diesem unbedeutenden Unbekannten. Sie sah durch das Fenster den klebrigen Schnee, der gerade fiel und drohte liegen zu bleiben. Morgen würde es kalt werden. Egal, Dienst war Dienst.
    » Monot, finden Sie heraus, was er am Freitag vor seinem Tod gemacht hat, zwischen dem Moment, als er das McDonald’s verließ und dem, als er auf den Pont-Neuf kam. Er hatte etwas Geld bei sich. Bei der Kälte ist er vielleicht hier und da etwas trinken gegangen. Fragen Sie, ob irgendwo Canaris oder Blancs gommés serviert werden, das spart Ihnen Zeit.«
    » Canaris, Blancs gommés? Was ist das denn?«
    » Tja, informieren Sie sich doch in einem Forum, aber in einem für Alte!«
    Sie bemerkte Brigadier Escoubet im Großraumbüro, der ihrer Unterhaltung lachend folgte. Ah, das amüsierte ihn, den Dicken! Sie rief ihn zu sich. » Escoubet, Sie lassen einen Abzug der letzten Aufnahme im Fotoapparat anfertigen, die bärtige Leiche, damit suchen Sie in Paris nach…«
    » Den Fotoapparat hat Lieutenant Juarez heute Mittag mitgenommen, für den Fall des Falles, Commissaire. Er hat eine Information über eine Drogenlieferung bekommen.« Escoubet lachte immer noch. Er glaubte wohl, sich damit aus der Affäre zu ziehen.
    Viviane zog die Nitrilhandschuhe über, reichte dem Brigadier auch ein Paar und holte aus der Tasche des Toten den Band von Victor Hugo heraus. » Wenn das so ist, machen Sie eine Fotokopie vom Umschlag, das Porträt ist dem des toten Obdachlosen wie aus dem Gesicht geschnitten, Monot erklärt’s Ihnen. Sie suchen morgen nach der Ecke, in der dieser Herr sich eingerichtet hat.«
    Sie schaute sich die Tasche aufmerksam an. Der Riemen war mit zwei Karabinern, die in eine kleine Kupferplatte eingehakt wurden, an der Tasche befestigt. Einer von beiden war halb geöffnet. Als der Täter versuchte, die Tasche zu klauen, hatte er sie wahrscheinlich dort gepackt. Sie beauftragte Monot damit, sie der Spurensicherung zu übergeben, um eventuelle Abdrücke sicherzustellen, auch wenn es dafür wahrscheinlich zu spät war, das hätte er schon längst tun müssen. Dann vertiefte sie sich freudlos in ihre Akten.
    Aber da kam schon Brigadier Escoubet, hielt ihr ein Buch und einen Umschlag entgegen. » Das lag in dem Buch, Commissaire.«
    Der Umschlag war verschlossen. Ein grauer, sehr dünner, leichter Umschlag, der vermutlich nur ein einziges Blatt enthielt. Auf der Rückseite des Umschlags, in kleinen Druckbuchstaben: X. B., Rue du Bois, Pantin. Auf der Vorderseite dieselbe Schrift, nur origineller: An den Dichterfürsten, Académie Française, Quai Conti, Paris. Z. Hd. Victor Hugo.
    Viviane schaute lange auf diese Adresse, die sie zu verhöhnen schien. Sie mochte Krimis, keine Literatur. Und nun wurde sie in diesen Fall verstrickt, wo man an jeder Ecke darauf stieß. Aber angesichts des Empfängers musste sie diesen Fall wohl ernst nehmen.
    Sie zeigte dem jungen Monot den Umschlag. » Was ist das, ein Dichterfürst?«
    » Das sagt mir was. Ich glaube, das war Verlaine, oder Mallarmé. Oder ein anderer. Ronsard vielleicht.«
    » Kurz, Sie wissen es nicht.«
    Der Lieutenant hatte nach dem Umschlag gegriffen, drehte ihn, wog ihn mit der Hand ab, versuchte

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