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Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Baron
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Fahne runterwerfen.“
    Fahne? Wollten sie hier unten die Nationalhymne für mich singen oder was? Ich hörte an der Öffnung etwas über den Boden schleifen, dann wurde der Himmel rot und ein großes rot-weißes Stück Stoff kam herabgeschwebt, das sich über mir bauschte und mich dann vollständig unter sich begrub. Es entpuppte sich als riesige Hamburg-Fahne. Frida hatte sie kurzerhand vom weißen Fahnenmast eines Vorgartens in Westerheide geklaut und zusammen mit einem dicken Nylonseil hierhergeschleppt, wie sie mir später stolz erzählte.
    Jan wickelte den jaulenden Jasper, der das für ein tolles neues Spiel hielt und in das Seil zu beißen versuchte, in die Fahne, band das Ganze wie einen Sack zusammen und kletterte über die Strickleiter nach oben. Zusammen mit Frida zog er dann das schwere Tier ächzend über ein dickes Eisenrohr nach draußen.
    Jasper ist nur wenige Kilo leichter als ich und ich konnte nur hoffen, dass das dünne Fahnentuch auch mein Gewicht halten würde. Jan kam wieder zu mir runter und half mir, mich daraufzusetzen. Ich jaulte mindestens genauso wie Jasper, als ich schließlich in meiner improvisierten Seilbahnauf dem Weg nach oben mit dem kaputten Fuß gegen die Betonwand stieß. Zum Glück befand Jan sich da schon wieder mit Frida am oberen Ende und bekam mich nicht von unten zu sehen. Zwar hatte ich jetzt mein Sweatshirt an, aber darunter trug ich nach wie vor so gut wie nichts. War schon peinlich genug, dass er mich wie ein Baby in die Arme nehmen musste, um mich irgendwie aus dem Loch zu hieven. Als ich endlich wieder das Tageslicht erblickte und so etwas wie Wärme auf meiner Haut verspürte, zitterten mir die Knie, so froh war ich. „Cool siehst du aus“, sagte Frida und strich bewundernd über meinen blutverschmierten Arm. Wie ich im Gesicht aussah, wollte ich lieber gar nicht wissen.
    Jan lehnte mich mit dem Rücken gegen einen der beiden großen Findlinge, die neben dem Eingang zu meiner Höhle lagen und an dem die Strickleiter befestigt war. Wie ein Profimasseur begann er, mein tiefgekühltes rechtes Bein zu bearbeiten. „Auf einem musst du schließlich gehen können, wenn wir dich zum Strandkorb kriegen sollen.“ Ich war zu k. o., um zu protestieren, auch wenn Frida mich angrinste wie drei Honigkuchenpferde auf einmal.
    „Danke“, sagte ich und wuschelte ihr durchs Haar, obwohl ich das, ehrlich gesagt, lieber bei jemand anderem getan hätte. Und damit meine ich nicht Jasper.

7
    „Da sollte wohl mal ein Arzt draufgucken.“ Eingehend begutachtete Jan meinen von der Form her an ein kleines Tiefkühlhähnchen erinnernden linken Fuß. Das TK-Hähnchen lag bewegungslos auf der ausgezogenen Strandkorbschublade und hob sich dekorativ in allen Schattierungen von Lila vom rot-weiß gestreiften Untergrund ab.
    „Sieht ganz so aus.“ Meine ausgefransten Jeans-Shorts hatte ich gerade noch über die Füße bekommen, aber an Schuhe war unter diesen Umständen nicht zu denken. „Wie kommt es eigentlich, dass du ausgerechnet Jan mitgebracht hast, um mich aus dem Loch zu retten?“, fragte ich Frida. „Jan ist ungefähr die einzige Person, die ich außer dir und meinem Lieblingsstrandkorbwärter hier kenne.“
    Frida wischte sich das schweißfeucht glänzende Gesicht. Tapfer hatte sie als menschliche Krücke hergehalten, um mich zusammen mit Jan von meinem Fundort über die Düne zurück zum Strandkorb zu bugsieren. „Ich wusste nicht, dass du den kennst. Er war gerade dabei, dir einen Brief zu schreiben, als ich hierher zurückkam. Da hab ich ihn gleich als Retter engagiert.“ Sie grinste, stolz auf ihren Geniestreich, und ihre Sommersprossen glühten rötlich im Abendlicht.
    „Einen Brief?“
    Jan lächelte leicht verlegen, wie mir schien. „Ich hab deine Flipflops vorm Strandkorb erkannt und natürlich die Idioten-Nummer hintendrauf. Und da hab ich dir ’ne kleine Message hinterlassen.“ Jetzt sah ich das weiße Stück Papier, das unter meinen Gummilatschen klemmte, die vor mir im Sand lagen. Gleichzeitig griffen wir nach dem Papier, er ganz offensichtlich in der Absicht, es zusammenzuknüllen, und dann hatte plötzlich jeder von uns eine Hälfte davon in der Hand. Meine stopfte ich in die hintere Tasche meiner Jeans, worauf das Tiefkühl-Hähnchen schmerzhaft zusammenzuckte. „Der Text ist inzwischen überholt“, sagte Jan.
    „Macht nix. Ich lese gern Geschichten, die in der Vergangenheit spielen.“
    „Guck mal, da kommt Martin“, unterbrach Frida unser Geplänkel

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