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Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Baron
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Gruft. Ich ekle mich vor mir selbst. Aber es gibt jemanden, der mich noch mehr ekelt: dich.
    Ich muss aufhören, sonst muss ich kotzen. Und davon wird’s hier nicht gemütlicher …
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6
    Scheiße, dachte ich, als ich wieder denken konnte. So eine Scheiße! Der Erdboden hatte mich buchstäblich verschluckt. Zweieinhalb Meter über mir war ein halber Quadratmeter blauer Himmel mit gezacktem Rand zu sehen. Vor mir, hinter mir und neben mir: ein schwarzes NICHTS. Mittendrin saß ich und konnte noch nicht genau beurteilen, was mir am meisten wehtat und in wie viele Teile ich mich zerlegt hatte. Um den linken Knöchel herum tat es sauweh, und wie es aussah, schwoll er binnen Minuten so dick an wie eine Avocado. Wenn ich denn was hätte sehen können. Durch das Loch in der Decke, oder was das war, drang kaum Licht zu mir herunter, und das bisschen, das durchkam, wurde auf der Stelle von der muffigen Dunkelheit um mich herum aufgesogen. Mein linker Ellbogen war blutig aufgeschrammt. Zumindest schmeckte es nach Blut, als ich an der Flüssigkeit an meinem Unterarm leckte. Ein bisschen wie Eisen. Und am Hinterkopf entwickelte sich eine fette Beule.
    War das der Grund, warum es auf Sylt verboten war, durch die Dünen zu laufen, wo man wollte? Weil es gemeingefährlich war und man mir nichts, dir nichts in betonbewehrte Mega-Löcher fallen konnte? Hatten die Verbotsschilder überall und die hohen Geldstrafen, die einem bei Missachtung angedroht wurden, gar nichts mit dem angeblichen Dünenschutz zu tun? Keine Ahnung, wie ich auf dieseIdee kam. Jedenfalls war das im Augenblick nicht mein Hauptproblem und daher sinnlos, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Der war ohnehin geschädigt genug.
    Nachdem ich Gliedmaßen und Gedanken einigermaßen sortiert hatte, stellte ich fest, dass ich noch Glück gehabt hatte. Ich war auf einer dicken Filzdecke gelandet, die sich feucht anfühlte, meinen Sturz in die Tiefe aber einigermaßen abgefangen hatte. Ich tastete um mich herum: rauer, kalter Stein, so weit meine Hände reichten. Ich versuchte, hochzukommen oder wenigstens auf die Knie. Aber an Aufstehen war nicht zu denken mit meinem Klumpfuß.
    Verdammt, wo war ich hier eigentlich? Fühlte sich an, wie ich mir Martins Grabkammern mit ihren toten Pharaonen immer vorstellte. Feuchtkalt, muffig, gruselig. Und das mitten in der Lister Dünenlandschaft bei achtundzwanzig Grad Außentemperatur. Ich lauschte angestrengt. War da nicht ein Scharren zu hören? Ein Scharren von tausend kleinen behaarten Füßen? Das Schleifen eines Nagetierschwanzes über den kalten toten Boden?
    Das Frösteln, das mir unter die Haut kroch bis in die Zehenspitzen, verwandelte sich äußerlich in eine Gänsehaut von gefühlten zehn Zentimetern. Mehr vor Ekel als vor Kälte, obwohl ich meine ganze Willenskraft daransetzte, meiner Fantasie diese Gruselvorstellungen zu verbieten. Mit abnehmendem Adrenalinpegel allerdings begannen meine Hände und Füße klamm zu werden, so als würden sie nie wieder warm. So hatte ich mir immer die Extremitäten von Gollum vorgestellt, dem nackten schleimigen Gnom aus „Der Herr der Ringe“, der tief unter der Erde hauste und hinter diesem Ring her war, der alle Macht über die Welt versprach. Vielleicht war er am Ende der Trilogie gar nicht mitsamt dem Objekt seiner Begierde im Feuer zugrunde gegangen. Vielleicht war er hier. Bei mir. Seinen Ring hätte ich unter diesen Umständen jedenfalls gut gebrauchen können. Wie sonst sollte ich aus dieser Gruft herauskommen?
    Warum war ich bloß so patzig zu dem Strandkorbwärter gewesen? Kein Wunder, dass der ausgerastet war. Wer will sich schon in die Nähe von Pädophilen rücken lassen, die sich mit der Bedrohung von Minderjährigen aufgeilen?
    Ob sie nach mir suchen würden? So wie nach dieser Mia?
    „Vermisst wird seit gestern 12.00 Uhr, High Noon, die sechzehnjährige Helena Stefanie Filius, genannt Fanny, aus Heidrege. Fanny ist 1,58 Meter klein, trägt ihre lockigen braunen Haare zu einem Dutt hochgenudelt und ist bekleidet mit Kopfhörern, einem blau-weiß geringelten Winz-Bikini von Tchibo sowie einem mintfarbenen T-Shirt mit der Aufschrift „Wann kommt endlich dieser Scheißprinz auf seinem Gaul vorbei?“. Sie wurde zuletzt am Strandkorb Nr. 207 in List auf Sylt gesehen, den sie zuvor mit roter Farbe zerstörte. Sachdienliche Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen sowie die Kriminalpolizei Hamburg, Tel. 040/…“
    Sogar der Zusatz „Fanny ist möglicherweise

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