Tote essen kein Fast Food
von der Seite gelöscht?“
„Na, aus Versehen wohl kaum. Da will jemand was vertuschen.“
„Wie willst du denn einen Bunker vertuschen? Vielleicht wollten die bloß nicht, dass sich Massen von Touris aufmachen, um ihn zu besichtigen. Nach dem Motto: Sightseeing mit Gruselfaktor. War womöglich gefährlich. Außerdem: Wer hätte denn Einfluss genug, so was Riesiges wie einen Bunker verschwinden zu lassen? Das ist doch kein Bauklotz, den man mal eben wegtragen kann.“
„Eben“, sagte ich. „Die Gemeinde hätte Einfluss genug. Oder …“ – Kunstpause – „die Bundeswehr.“
„Kann es sein, dass du zu viele Spionagefilme gesehen hast?“
„Quatsch. Aber irgendjemandem müssen die Bunker doch gehören. Und die sind dann auch für deren Sicherheit verantwortlich.“
„Und du meinst, die Bundeswehr ist die Rechtsnachfolgerin der Wehrmacht aus dem Dritten Reich?“
„Wer denn sonst. Die haben das von denen geerbt.“
„Weißt du was?“, sagte Jan. „Ich finde, wir fahren dahin und sehen uns die Sache an.“
„Das ist doch mal ein konstruktiver Vorschlag.“ Ich stand auf und klopfte mir den Betonstaub von der Hose. „Jetzt gleich?“
„Na klar, oder willst du warten, bis ich Max und Moritz wieder an der Backe hab?“
11
Eineinhalb Stunden später stiegen wir zusammen mit einer Gruppe Rucksackträger und einem jungen Paar mit Buggy plus vor sich hin nölendem Inhalt in Hörnum aus dem Bus. „Wieso glaubst du eigentlich, dass das der zweite Eingang zu deinem Dünenbunker sein könnte? Der ist doch meilenweit weg“, hatte Jan mich unterwegs gefragt.
„Wenn du einen hast, dann hast du sie alle“, erwiderte ich nur. „Das hat doch der ‚Doktor‘ in diesem Forum geschrieben.“
„Denkst du im Ernst, die haben damals einunddreißig Kilometer Schacht gebuddelt?“
„Die haben noch ganz andere Sachen gebuddelt.“ Ich musste an die unterirdischen Werksanlagen für Hitlers Geheimwaffe denken, die sogenannte V2. In dem berüchtigten Konzentrationslager Mittelbau-Dora in Thüringen hatten zehntausende Zwangsarbeiter zwanzig Kilometer Stollen graben müssen, zum Teil dreißig Meter hoch, und dabei unter grausamsten Bedingungen ihr Leben gelassen. In der Schule hatten wir mal einen Film darüber gesehen und der war so grauenhaft, dass wir hinterher alle heulten. Ich finde das ja auch wichtig, darüber Bescheid zu wissen, aber es ist ganz einfach schwer zu ertragen.
Wir gingen gleich zum Strand hinunter und dann nach rechts Richtung Hörnum Odde und Sansibar. An der Südspitze waren die riesigen Beton-Tetrapoden zu einer Art Damm aufgetürmt. Eigentlich wäre ich gern dazwischen herumgeklettert, aber ich war froh, dass ich überhaupt wieder einigermaßen gehen konnte, und wollte mein lädiertes Sprunggelenk nicht aufs Spiel setzen. Zwischen den Tetrapoden waren angeschwemmte Bretter verkeilt und jede Menge Tampen in allen Stärken und Farben. Britta hatte diese Dinger immer gesammelt und schräge Wandteppiche daraus hergestellt, von denen mehrere in unserem Wohnzimmer und der Diele hängen. Es schienen noch mehr Leute auf diesem Trip zu sein, denn bei dem Teil des Damms, der wie ein Stack Richtung Nordsee hinauslief, sah ich später eine junge Frau in einer Art Armeehose zwischen den martialisch wirkenden Betonriesen umherstreifen, die versuchte, die Tampen herauszuwinden. Wenn das nicht klappte, schnitt sie sie mit einem Taschenmesser einfach ab. Irgendwie sah sie nicht aus, als wolle sie daraus Wandteppiche weben. „Ah, Scheiße“, hörte ich sie fluchen, als eine etwas höhere Welle ihre schwarzen Schnürstiefel traf und den unteren Teil des rechten Hosenbeins dunkeloliv färbte. Während sie sich nach unten beugte, um sinnloserweise die jetzt sowieso nassen Hosenbeine hochzukrempeln, wandte sie den Kopf kurz Richtung Strand. Ein dick kajalumschatteter Blick traf mich, der mich an einen hungrigen Vampir denken ließ. Sie registrierte, dass ich zusammenzuckte, grinste verschlagen und hob wie Flügel beide Arme, die Finger zu Krallen verkrampft. Dabei ließ sie ein Fauchen hören wie eine lüsterne Hyäne und fing an zu lachen, als ich eilig wegsah.
„Was war das denn?“, fragte Jan verblüfft.
„Keine Ahnung. Wohl irgendwie durchgeknallt.“
„Sieht ganz so aus.“ Schweigend stapften wir weiter durch den Sand und wichen den Wellen aus, die vereinzelt über unsere Füße zu schwappen drohten.
„Kannst du noch?“, fragte Jan, nachdem wir bereits eine Stunde an der Wasserkante
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