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Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Baron
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mein Herr Doktorvater schon einen Stall vollKinder. Eins davon ist in der Klasse über mir. Alex. Kennst du den? Hat gerade Abi gemacht. Den fand ich mal cool, aber er mich nicht. Was für ein Glück, was? Wäre schließlich halber Inzest gewesen, obwohl wir das damals nicht wussten. Eigentlich zum Totlachen.
    Nicht dass du denkst, ich heule, die Tinte hat Muffin verwischt. Ist mit nassen Pfoten drübergelatscht … Ich gönne dir keine Träne. Keine einzige, hörst du: KEINE EINZIGE …
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12
    Das Busgeschaukel war einschläfernd. Außerdem war ich kaputt von der langen Strandwanderung. Abwesend schaute ich zu, wie links von mir die karge Mondlandschaft vorbeiflog, die bei diesem trüben Wetter besonders deprimierend aussah. Durch nordfriesisches Genöle wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
    „Das wird ja imma schöna. Nu fang’se schon an, in unser’n Hörnum Apotheken auszurauben.“ Ich fuhr zusammen. Zwei Bänke schräg vor uns saß, mit dem Rücken zu uns, Käpt’n Blaubär mit seiner Frau und wetterte lautstark über das, was in der Zeitung stand. Dabei hackte er mit seinem knorrigen Zeigefinger auf die Stelle ein, die ihn offenbar besonders erboste. „Scheibe auf der Rückseite eingeschlagen, Leita aus Hansens Garten angelehnt und rinn inne Bude.“
    „Und wie viel fehlt?“ Das war die Blaubärin.
    „Die Kasse hamse wohl nich aufgekriegt. Aber dafür sämtliche Medikamentenschränke durchwühlt. Wohl auffe Suche nach Drogen. Muss aussehen, als hätte da ne Bombe eingeschlagen.“
    Jan stieß mich mit dem Ellbogen an und grinste. „Na, der wär doch was für dich. Hört sich an, als hätte er jede Menge Weltkriegserfahrung. Los, da sitzt deine Chance.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich feixend an. Ich rutschte eine Etage tiefer in meinem Sitz. Ich hatte nichtdie geringste Lust, mich von diesem keifenden Alten womöglich auch noch dumm anmachen zu lassen.
    „Nee, keinen Bock jetzt. Da warte ich lieber, bis diese blöde Bibliothek wieder aufmacht.“
    „Das dauert noch fast ’ne Woche. Und du weißt nicht mal, ob sie dein Buch haben.“
    Auch wieder wahr. „Aber der da vorn ist mir gerade zu gallig drauf.“
    Jan räusperte sich, strich sein Hemd so glatt, wie es ging, stand auf und steuerte geradewegs auf Blaubär und seine Frau zu. „Entschuldigen Sie bitte, der Herr“, sagte er und ich musste kichern, „darf ich Sie etwas fragen?“
    „Was?“, schnauzte Blaubär misstrauisch, und das bezog sich nicht auf den Inhalt von Jans Frage, sondern darauf, dass überhaupt jemand das Wort an ihn gerichtet hatte. Schwerhörig war er also auch noch. Als er Jan das Gesicht zuwandte, konnte ich im Profil seine Hakennase erkennen und die lange Narbe auf seiner linken Wange, die von der Form her an Sylt erinnerte. Darüber stach ein Auge aus dem verwitterten Gesicht, so blitzeblau wie ein Aquamarin.
    „Ich möchte Sie gern etwas fragen“, wiederholte Jan und ließ sich auf dem Sitz vor dem erstaunten Ehepaar nieder.
    „Was denn, mein Jung“, schaltete sich die Blaubärin ein, die ebenso rundlich war wie ihr Mann hager. Und ebenso freundlich wie er übellaunig. Zum Glück schienen ihre Ohren noch in Ordnung.
    „Leben Sie schon lange auf der Insel?“ Jan hatte ein paar Dezibel zugelegt, damit er nicht alles zweimal sagen musste.
    „Na, selbstvaständlich. Lebenslänglich, min Dschung. Emma und ich, wir sind hier geboan.“
    „Ich in Westerland und mein Willem in Rantum.“
    „Rantum, jawoll“, bestätigte Willem Blaubär, der plötzlich viel versöhnlicher wirkte. „1936 war das. Da war hier noch nix los auf der Insel. Noch nich mal der Krieg.“ Der Krieg. Bei ihm klang es wie „Kriech“.
    „Können Sie sich daran noch erinnern?“, fragte Jan, ganz der lässige TV-Kommissar.
    „Na, kloar kann ich das.“ Willem zog ein kariertes Stofftaschentuch aus der Jackentasche, schnäuzte lautstark seinen gewaltigen Zinken hinein und verstaute das verseuchte Stück Stoff umständlich wieder in der Jacke. „Ich war neun, als der Kriech aus war. Vor allem gegen Ende wimmelte es von Militär und Waffen auf der Insel. War’n mehr Soldaten als Schafe hier. Und als Einwohner. Wir hatten vier Seefliegerhorste auf Sylt, jede Menge Bunker in den Dünen, und der Strand war Sperrgebiet.“
    „Das war doch sicher spannend für einen kleinen Jungen.“
    „Nä. Nich so spannend. Gefährlich war das vor allem und zu essen gab’s auch nich viel. Die ham Flachwasserminen am Strand verlegt.

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