Tote essen keinen Döner
ging man zum Waschbecken, jetzt kommen die zu einem.
|75| »Was wollen Sie denn damit? Ich meine, was sollen Waschbecken?«, frage ich überrascht.
»Ich bitte Sie, ich muss doch Ihre Haare waschen.«
»Warum waschen? Haare gleich sowieso auf Boden landen.«
»Wir schneiden niemals Haare, ohne sie vorher zu waschen. Lassen Sie mich nur machen. Ich weiß, was Männerköpfe glücklich macht.«
Unglaublich, wie zart und gefühlvoll er meine Haare krault, streichelt und wäscht. Ich glaube, der will was von mir.
Und das Vorurteil stimmt wirklich! Nein, nicht, dass alle Frisöre schwul sind, sondern, dass sie alle Lästermäuler sind. Er redet und redet und redet. Ich erfahre alles über das Wetter, über die neuesten Schnitttechniken, über den unmöglichen Hundefrisör von gegenüber, über unsere Stadt, über Deutschland und die Welt, besonders was die neuen Topmodels betrifft.
Ich weiß nun wirklich alles – nur nichts über Adolf! Über ihn hat er kein einziges Wort verloren. Und ich konnte ihn ja auch nicht direkt danach fragen. So machen es alle guten Detektive, die was auf sich halten und nicht als solche enttarnt werden wollen.
Das Einzige, was ich im Zusammenhang mit Adolf erfahren habe, ist, dass ein Onkel von ihm, ein gewisser Helmut Aufdermauer, Abgeordneter im Landesparlament ist. Nachdem mein netter Frisör Pierre mir stundenlang meinen Kopf geölt, eingecremt, poliert und massiert hat, rufe ich:
»Das waren wunderbar, Pierre, ich danken. Föhnen machen ich selber.«
|76| »Wladimir, Sie sind aber ein Witzbold. Sind alle Russen so lustig?«
»Aberr klarr doch. Zwei Flasche Wodka jeden Tag, dann alle lustig. Nastrowje, mein Junge – dawei, dawei!«
Es macht Pierre große Freude, mir meinen Schnurrbart und meine Augenbrauen gelb zu färben.
Als ich mit einem Kopf, der wie ein reifer Kürbis aussieht und wie eine 50 0-Watt -Glühbirne strahlt, den Laden verlasse, ahnt mein Katter nicht im Geringsten, dass ich als getarnter Schnüffler viel mehr an seiner losen Zunge interessiert war als an der flinken Schere in seiner Hand.
Nach dem Frisör lässt mich Mehmet in der Nähe des Konzerts, aber in sicherer Entfernung, aussteigen. Mein Kopf friert fürchterlich. Ich habe mehr Angst, einem Bekannten über den Weg zu laufen als einem Skinhääd. Und ich bin unheimlich froh, dass der Saal so dunkel ist.
Die Leute hier sind total durchgedreht und rütteln wie verrückt an den Stahlgittern. Einige reißen sogar Metallbefestigungen ab und schlagen damit wie die Wilden gegen die Wände und die Sitze. Ohne Hemmungen springen sie sich gegenseitig an, treten sich mit den Füßen und rammen ihre Ellbogen in jedermanns Rücken oder Magengegend. Und alle haben so grauenhaft hässliche Tätowierungen. Aber Hässlichsein ist hier anscheinend Trumpf. Auf diesem Planet der Affen komme ich mir wie ein 1-a-Dressmän vor.
Man fühlt sich wie auf einer südamerikanischen Gefängnisrevolte. Die Songs sind nämlich nicht nur sehr ausländer-, sondern auch unglaublich trommelfellfeindlich. Lauter Verrückte versuchen sich im Rhythmus des ohrenbetäubenden Lärms gegenseitig die Schädel einzuschlagen. |77| Hier braucht man sich als Mann auch gar nicht gut zu benehmen, in dem ganzen großen Raum gibt es keine einzige Frau. Jedenfalls keine, die man äußerlich als solche erkennen könnte.
Die Glatzen scheinen alle wegen des Geschreis hierhergekommen zu sein, das sich so anhört, als würde man ohne Betäubung ein Schwein kastrieren. Vielleicht sollte man das lieber mit dem Sänger machen.
Auf türkischen Konzerten werden mit viel Gefühl herrlich romantische Lieder über die Liebe gesungen, hier gibt es nur brutale Lieder über den Hass! Die Leute schreien sich die Lunge aus dem Leib, um sich gegenseitig zu bestätigen, wie sehr sie die Ausländer hassen.
Macht den scheiß Muselmann platt, hängt das Kümmelschwein auf, zack, zack
, dröhnt es mir in den Ohren. Sonderlich einfallsreich sind diese Bänds ja nicht gerade, eigentlich wiederholen sich fast immer die gleichen zwei Zeilen. Da fällt mir ein, dass Nermin mir erst kürzlich erzählt hat, dass die rechtsextremistische Musik auf die Skinhääds wie eine Droge wirkt. Sie putscht sie auf und macht sie richtig schön aggressiv. Ich vermute, die netten Jungs, die Hatice die CD geschenkt haben, sind auch hier.
Ich kämpfe mich zurück durch die kreischenden Massen und verlasse die kochende, stickige und stinkende Halle und rette mich an die Theke im Foyer. Mit dem
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