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Tote essen keinen Döner

Titel: Tote essen keinen Döner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wie plötzlich alle Arbeiter ihre Sachen packen und abhauen. Bis hierher ist alles okäy, die kommen und gehen, wie es ihnen passt. Aber obwohl sie schon fast aus der Tür raus sind, hört das Erdbeben immer noch nicht auf! Haben Bohrer und Hammer etwa auch einen Autopilot?
    »Halt, halt, bitte nehmen Sie Ihren Lärm mit«, rufe ich denen hinterher.
    »Das Ihr Lärm«, sagt der Bulgare oder Rumäne.
    »In diese Haus wir nix arbeit«, ergänzt ein anderer Rumäne oder Bulgare.
    »Wieso, was ist denn passiert? Meine Frau musste wirklich dringend aufs Klo!«
    |69| »Wir arbeit 20   Stunden im Tag, wir arbeit mit wenig Geld, wir arbeit illegal, wir arbeit immer Angst vor Polizei – aber das zu viel!«
    »Bei Allah, was ist denn passiert?«
    »Dein Musik Scheiße«, brüllt der Bulgare oder Rumäne und stürzt hinaus.
    »Du kranke Kopf. Du selber Ausländer aber Ausländer hassen«, ergänzt der andere und folgt seinem Kollegen.
    Jetzt erst wird mir bewusst, dass sich die Quelle des ohrenbetäubenden Lärms vom Badezimmer ins Wohnzimmer verlagert hat.
    Und meine kleine Tochter hüpft bei dem Krach auf und ab.
    »Hatice, bist du verrückt geworden, was soll denn das?«, schimpfe ich und drehe die Musik-Anlage leiser.
    »Die CD hab ich geschenkt bekommen«, strahlt sie bis über beide Ohren.
    »Du musst ja nicht gleich voll aufdrehen. Von wem hast du sie überhaupt?«
    »Ein Mann hat sie vor der Schule verteilt. Alle haben eine bekommen!«
    Sosehr ich mich auch bemühe, ich verstehe kein Wort von dem Text. Es ist ein wahnsinniges Gegröle, als würden zehn Stiere und drei Paviane gleichzeitig kastriert.
    Ich mache die C D-Hülle auf und lese den Text:
    Kanake, hau doch ab
    Verrecke in deinem Land
    Adolf hat nicht vergast
    Wir sind aber so weit!
    |70| »Hatice, bei Allah, mach sofort diesen Mist aus«, schimpfe ich.
    Da kommt Nermin, unsere Expertin, zur Tür herein und reißt mir sofort die C D-Hülle aus der Hand.
    »Das sind die ›Jammertaler Kanakenjäger‹. Aber auf diesem Sämpler findet sich die ganze stinkende Scheiße auf einem Haufen: ›Adolfs Kumpels‹, ›Nazifaust‹, ›Rassenkampf‹, ›K Z-Wächter ‹, usw.«
    »Hatice, du darfst vom Schulhof nie wieder so was mitnehmen, auf keinen Fall, hörst du?«, brülle ich schockiert.
    »Also, Vater, Drogen darf ich nicht nehmen, mit fremden Leuten sprechen auch nicht. Ins Auto bei jemandem darf ich auch nicht steigen. Ich darf nicht auf der Straße rumlungern, sondern muss sofort nach Hause kommen. Süßigkeiten soll ich auch nicht essen. Aber von einem C D-Verbot war bisher nie die Rede!«
    »Osman, Hatice hat doch recht«, sagt meine Frau, »Rumbrüllen bringt nichts. Du musst ihr schon erklären, warum sie auch keine CDs annehmen darf.«
    »Eminanim, wenn ich’s mir so überlege, die alten Zeiten waren doch wirklich sehr schön, nicht wahr?«, schwelge ich in Erinnerungen. »Wir waren doch als Kinder den ganzen Tag draußen. Und die größte Sorge, die unsere Eltern wegen uns hatten, war, dass wir vom Olivenbaum fallen und unsere Hosen kaputt machen.«

|71| Don Osman in Äktschn
    In den letzten Tagen hat Mehmet vergeblich versucht, in dem übel riechenden Dunstkreis von Adolf herumzuschnüffeln. Aber es hat nicht viel gebracht. Durch jahrelanges Rumhängen in stinkenden Kneipen hat er seinen Geruchssinn nämlich schon längst verloren. Das Rauchverbot kommt für ihn etwas zu spät.
    »Glaub mir, Vater, ich war froh, dass die mich nicht skalpiert haben«, sagt er, »kannst du dir vorstellen, dass man so einen lieben, netten Jungen wie mich nicht mag?«
    »Mehmet, bring mich nicht in solche Gewissenskonflikte. Ich will mich nicht dabei ertappen, dass ich Verständnis für Nazis aufbringe«, rufe ich.
    »Wie dem auch sei, um in so einem stinkenden Misthaufen rumzuwühlen, den Adolf ›seine Kameradschaft‹ nannte, bin ich völlig ungeeignet. Ich bin bei denen bekannt wie ’n bunter Hund. Heute Abend ist so ein Nazi-Konzert. Wenn du dich traust, kannst du ja hingehen, um zu schnüffeln.«
    »Soll das heißen, ich sehe wie ein geborener Nazi aus?«
    »Noch nicht ganz, dafür musst du dich erst mal von deinen restlichen dreieinhalb Haaren und dem albernen Türkenschnurrbart trennen.«
    »Mein Kumpel Barbier Bekir wird sich bestimmt köstlich |72| amüsieren, wenn er meinen Kopf in eine strahlende 100 0-Watt -Glühbirne verwandeln darf.«
    »Nein, nein, du gehst nicht zu Onkel Bekir. Ich bringe dich zu René und Pierre, dahin ist Adolf früher immer gegangen,

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