Tote essen keinen Döner
einem meiner neuen Kollegen hier ist?
Kurze Zeit später sind wir auch schon da: vor der Parteizentrale der RNU.
»Noch so eine Türkenhütte, macht sie ferrtig, Kollegen«, brülle ich.
Der Riesen-Skin reißt eine komplette Gehwegplatte von der Straße und das große Schaufenster geht mit lautem Geklirr zu Bruch. Sofort schaut er stolz zu mir herüber.
»Los, Waldemar, schmeiß du doch auch eine. Ich reiß für dich eine besonders schwere aus dem Bürgersteig«, tönt er.
»Gib mirr lieberr gleich den Gullydeckel herr«, sage ich.
Es geht wieder alles ganz schnell. Bevor jemand merkt, dass hier die leckeren Dönerspieße fehlen, brülle ich:
»Das rreicht, Kameraden, gehen wirr weiterr!«
Saufend und grölend zieht die Horde hinter mir her und hinterlässt hässliche Spuren. Überall an den Wänden steht jetzt »Ausländer Raus« oder »Kauf nicht bei Türken«. Um nicht aus der Reihe zu tanzen, bin ich der Eifrigste von allen und erfinde die besten Sprüche, zum Beispiel: »Lieber Glatze als Kopftuch«.
»Komisch, Adolf und Rrudolf sind heute garr nicht da«, sage ich dem Steinwurf-Experten neben mir.
»Hör doch auf mit den beiden Idioten«, schimpft er.
Ich schöpfe sofort Hoffnung.
|129| »Kamerrad, überr Tote … ich meine, überr Kamerraden rredet man doch nicht so.«
»Ach, die beiden Schwuchteln denken doch jetzt, sie sind was Besseres geworden, lassen sich die Haare wachsen und hocken mit den Laberköpfen von der Partei zusammen.«
»Was Besserres als Skinhääd kann man doch garr nicht werrden! Oderr haben die etwa im Lotto gewonnen?«, bohre ich unauffällig nach.
»Keine Ahnung, irgendwelche Weibergeschichten haben die auch. Hüpfen bestimmt von Bett zu Bett!«
Dieser Gorilla hat keine Ahnung, dass die beiden seit Tagen höchstens von Tiefkühltruhe zu Tiefkühltruhe hüpfen. Aber ich merke schon, dass sie bei den Skins zurzeit nicht besonders hoch im Kurs stehen.
»Hallo Waldemarr.«
Oh Scheiße!
»Hallo Igorr!«
»Macht’s Spaß?«, fragt er leicht angetrunken.
Ob der mich wohl die ganze Zeit beobachtet hat?
»Klarr! Dirr nicht?«
»Doch, ich bin stolz, Deutscherrr zu sein!«, grölt er.
»Was andrres hast du nicht, um stolz zu sein?«, rutscht es mir aus Versehen heraus. Bei Allah, das war ja taktisch überhaupt nicht klug, was ich jetzt verzapft habe. Gesundheitsfördernd auf gar keinen Fall! Weil dies ja eine Spontan-Demo ist, gibt es auch keine Gegendemonstranten, bei denen ich schnell Asyl suchen kann.
»Wie, warrum?«, fragt er völlig verdattert – völlig zu Recht!
Er hat mit Sicherheit schon tausend Mal »Ich bin stolz, |130| Deutscher zu sein« gegrölt und ist noch nie mit einer aus seiner Sicht so dämlichen Frage konfrontiert worden.
»Igorr, ich meine, in Polen auch alle stolz, nurr weil sie Polen«, versuche ich meinen Lapsus wieder geradezubiegen.
»In Rrrussland sind sie auch alle stolz, weil sie Rrrussen sind.«
Ich schaue nach bestmöglichen Fluchtwegen, bereite mich wie ein Hundertmeterläufer auf den Sprint vor und lege los:
»Deutsche stolz weil Deutsche, Pole stolz weil Pole, Rrusse stolz weil Rrusse, Türrke stolz weil …« – Mist, wo kommt denn jetzt der Türke her? – »… ich meine, alle Menschen laufen stolz in Gegend rrum, nurr weil sie irrgendwo geborren wurrden. Ist das nicht total blöd?«
Igorr ist sprachlos. Ich kann regelrecht hören, wie es bei ihm im Oberstübchen zischt, rattert und knattert.
»Igorr, stell dir vor, alle Menschen auf der Welt sind Nationalisten und alle sind total stolz, ohne was zu leisten. Soll man denn nicht – wenn überhaupt – auf eigene Erfolge stolz sein anstatt auf Zufälle derr Naturr, für die man garr nichts kann?«
»Menschen sind Teil derr Naturr.«
»Nach dieser Logik kann man auch stolz darrauf sein, dass Errde sich um Sonne dreht!«
»Ja, ich bin stolz, ein Deutscherr zu sein, und dass Errde sich um Sonne drreht«, brüllt er.
»Ich bin stolz, ein Türke zu sein, und dass es den Großen Bären gibt«, antworte ich, wobei ich das Wort »Türke« mit einem Rülpser völlig unkenntlich mache.
»Grroßerr Bärr?«, fragt er.
|131| »Klarr, ich bin stolz, dass der Grroße Bärr es im kalten, dunklen Univerrsum so lange tapferr ausgehalten hat.«
Glücklicherweise wird unsere Diskussion unterbrochen, weil wir wieder vor der Kneipe stehen, von der aus wir unsere »Tour de Bürgerschreck« gestartet haben.
»Los, Kamerraden, das ist die versiffteste Dönerrbude, die ich je
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