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Tote essen keinen Döner

Titel: Tote essen keinen Döner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Nazi-Parolen säubern zu müssen, dafür kann ich ja nichts.
    »Jetzt kommen wir zu dem Punkt, wo es für euch da hinten wichtig wird, Kameraden. Jetzt könnt ihr Geld verdienen. 100   Euro bekommt ihr, Kameraden, wenn ihr uns einen dieser asozialen Plakat-Klauer meldet. Macht Fotos von denen, schreibt die Kennzeichen von diesen Dieben auf. Aber bitte nicht sich gegenseitig denunzieren, Kameraden, nur um Geld zu kassieren. Auch nicht eure Eltern oder die Nachbarn anschwärzen. Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!«
    Um nicht unangenehm aufzufallen, hebe ich meinen Arm und brülle mit:
    »Deutschland den Deutschen, Ausländer rraus! Deutschland den Deutschen, Ausländer rraus!«
    »Den rrrechten Arrrm heben, Waldemarrr, den rrrechten. Nicht den linken«, korrigiert mich Igorr von hinten.
    »In Polen wir immer linke Arm heben«, entschuldige ich mich und mache sofort den lebenswichtigen Armwechsel.
    So langsam mache ich mir große Sorgen, dass der Kerl hinter mir mehr über mich erfahren wird, als ich hier über Adolf und Rudolf herauskriegen kann. Da kommt mir dieser zwei Meter große Skin mit dem dicken Bauch und dem Bauerngesicht genau im richtigen Augenblick zu Hilfe:
    »Voll öde hier, Alter, dieses Politikergelaber ist doch zum Kotzen«, mault er gelangweilt.
    »Das stimmt, Kollege, ständig ›Deutschland den Deutschen, |126| Ausländer rraus‹. Hat derr da vorrne etwa kein anderes Spruch auf Lager?«, stimme ich ihm zu.
    »Das hier ist doch keine Demo, wir sind doch unter uns! Was soll der Quatsch?«
    »Ja, dann lass uns doch ein Demo machen. Dieserr Wichtigtuerr da vorrne ist uns doch egal«, schlage ich vor, um hier schnellstens und möglichst lebend rauszukommen. Denn Igorr hat mich eben auch noch gefragt, ob ich unseren alten Kameraden Bogdan Kowalski aus Breslau kennen würde. Der sei auch Deutsch-Pole wie ich. Weil ich nicht einschätzen kann, ob das eine Fangfrage ist, brülle ich, so laut ich kann:
    »Deutschland den Deutschen, Ausländer rraus!«
    Aber der wird bestimmt nicht lockerlassen.
    »Warrum dann immer noch hierr sitzen, Kameraden? Los, tun wirr, was wirr am besten können«, brülle ich.
    »Meinst du etwa weitersaufen?«
    »Nein, Schaufensterr von Ausländerrn kaputt machen.«
    Als hätten die nur darauf gewartet, springen alle Glatzen mit mir zusammen sofort auf.
    Ich ziehe mit voller Kraft an der Tür. Es ist abgeschlossen! Bei Allah, so doof sind die auch nicht. Sie haben mich schon enttarnt und hier eingesperrt! Jetzt bin ich verloren!
    Da sehe ich an der Tür das Wort »drücken« und stürze mit rasendem Herzen aus dem Laden – die Glatzen hinter mir her! Die Krawattenträger kommen selbstverständlich nicht mit.
    »Wo geht’s denn heute hin?«, fragt mich schon wieder dieser Zweimeterriese mit den Springerstiefeln in Größe 52.
    |127| »Deutschland den Deutschen, Ausländerr rraus!«,brülle ich fünf Mal hintereinander, um für die Antwort Zeit zu gewinnen. Leider fällt mir trotzdem absolut niemand ein, dem ich diese Horde auf den Hals hetzen kann. Die Ausländerbehörde ist zu weit weg, und wo der Dummschwätzer von eben wohnt, weiß ich nicht.
    »Wohin, mein Führer?«, fragt er schon wieder.
    »Mirr nach, Kollegen«, brülle ich und führe die besoffene Horde schnurstracks zu der alten Dönerbude von Nuri, die er vor drei Wochen dichtgemacht hat, weil das ganze schäbige Haus bald abgerissen werden soll.
    Kurze Zeit später sind wir auch schon da.
    »Auf, Kollegen, reißt den Hammeln die Eierr ab!«, rufe ich.
    Ich schnappe mir einen Stein, schmeiße ihn in das Schild »Bosporus Döner« und entdecke, dass so einfache Dinge wie Steineschmeißen auch einem erwachsenen und intelligenten Menschen viel Freude im Leben bereiten können.
    Nachdem wir schon fast das ganze Haus abgerissen haben, rufe ich:
    »Los, mirr nach, wirr gehen weiter, Kollegen, es gibt noch genug andrre stinkende Dönerrbuden in der Stadt!«
    Es ist kaum zu glauben, wie schnell die Zeit vergeht, wenn man saufend und grölend durch die Straßen stapft. Die braven Bürger verstecken sich und schauen ängstlich aus ihren Fenstern, sodass sich die Faschos ganz einfach toll vorkommen können. Einige mutige Leute schimpfen aus sicherer Entfernung: »Der braune Pöbel marschiert wieder«. Ich würde aber eher der »blau-braune Pöbel« |128| sagen! Unterwegs wird nämlich ständig neuer Nachschub am Kiosk gekauft.
    Eine Frau zieht entsetzt und hastig die dicken grünen Gardinen zu! Ob das wohl die Mutter von

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