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Tote essen keinen Döner

Titel: Tote essen keinen Döner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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erkennen können, sind wir hier erst vor ein paar Tagen eingezogen. Können Sie uns über unsere neuen Nachbarn was erzählen? Wir haben einfach keine Zeit gehabt, sie alle in Ruhe kennenzulernen.«
    Ich muss zugeben, eine sehr raffinierte Frage von Eminanim, um die Spreu vom Weizen zu trennen.
    Auf so eine schwierige Frage war die Frau anscheinend nicht vorbereitet, sie packt unverzüglich ihre überdimensional großen Karten ein. Aber anstatt sich kleinlaut aus dem Staub zu machen, mischt sie mit großer Geste ihre Karten neu und wirft sie wieder zurück auf den Tisch. Dann starrt sie mit großen und gespannten Augen drauf, so als verfolge sie das Elfmeterschießen bei einem Endspiel der Fußball-WM.
    |138| »Frau Tamara, was sehen Sie?«, fragt Eminanim sehr leise, um die Dame in ihrer Trance nicht zu stören.
    »Eine Zwanziger«, sagt sie trocken.
    Meine Frau lässt den hellgesehenen Zwanzigeuroschein sehr diskret in der riesigen Tasche der geldgeilen Dame verschwinden.
    »Ich sehen eine sehr, sehr alte Frau«, kommt als Antwort. Dann beugt sie sich noch mehr über ihre Karten und zischt: »Oh mein Gott!«
    »Was sehen Sie, Frau Tamara?«, fragt Eminanim mit zittriger Stimme.
    »Ich sehen ein totes Mann!«
    Ich bekomme sofort eine Gänsehaut.
    »Nur ein totes Mann?«, will ich wissen.
    »Ja, aber sehr tot.« »Wie heißt er? Adolf oder Rudolf?«
    »Nix Adolf oder Rudolf   …« Sie schnappt sich eine Karte, presst sie ganz heftig gegen ihr Herz und stammelt: »Er heißen Kartoffel   … nein, nein, Brot!«
    »Was für’n Brot denn? Vollkorn, schwarz, weiß oder Toastbrot?«
    »Jetzt sehen ich sehr deutlich! Totes Mann und alte Frau lange verheiratet. Er heißen Weißbrot. Ich sehen sein Geist in diese Zimmer, dort drüben.«
    Ich bin sprachlos! Eminanim nicht:
    »Sie können Herrn Weißbrot sehen? Was macht er jetzt in diesem Moment?«, fragt sie neugierig.
    »Er sitzen dort vor Fenster. Er sehr glücklich!«
    Meine Frau lässt noch einen Zwanziger in Tamaras Handtasche verschwinden.
    »Sagen Sie, sehen Sie noch andere Nachbarn von uns?«
    |139| »Klar, ich sehen viele Nachbarn.«
    »Können Sie sehen, wer unser jüngster Nachbar ist?«
    Sie kramt in ihrer Tasche und schmeißt einige Knochen auf die Karten. Ob unser jüngster Nachbar etwa ein Hund ist? Frau Tamara verkündet sogleich das Ergebnis:
    »Ja, ich sehen, ich sehen, aber er nicht gut!«
    »Geht’s ihm schlecht? Was hat er denn?«, will Eminanim schon die Todesursache wissen.
    »Ja, sehr schlecht!«
    »Ist er vielleicht schon tot?«
    »Schlimmer!«
    »Schlimmer als tot? Wie soll das denn gehen?«
    »Er Nazi!«
    Bei Allah, das ist doch unglaublich! Alle Achtung! Die Frau ist nicht nur eine erstklassige Hellseherin, sondern auch eine Demokratin durch und durch. Ich muss zugeben, bisher habe ich von Hellseherei nicht viel gehalten. Es war für mich reiner Hokuspokus. Aber siehe da: Mit fünfzig Jahren werde ich doch noch eines Besseren belehrt! Wie sagt man so schön – besser spät als nie! In dem Moment klingelt es schon wieder an der Tür. Völlig verwirrt laufe ich in den Flur.
    »Hallo Abdullah-Ibrahim, komm schnell rein, hier passieren unglaubliche Sachen. Wir haben eine richtige Hellseherin in der Wohnung. So eine sagenhafte Frau hast du bestimmt noch nie gesehen!«
    Zur meine großen Enttäuschung packt Frau Tamara aber rasch ihre Utensilien zusammen und steht auf:
    »Ich nicht hellsehen, wenn fremde Mann kommen«, sagt sie und verschwindet sofort ins Treppenhaus.
    »Guten Abend, Helga, lange nicht gesehen, wie geht’s |140| dir denn?«, ruft Abdullah-Ibrahim Tamara hinterher. Aber sie ist bereits draußen auf der Straße.
    »Abdullah, kennst du die Dame etwa?«, frage ich völlig überrascht.
    »Ja, natürlich, die Helga hat doch fünf Jahre in der Wohnung links über uns gewohnt!«

|141| Don Osman in geheimer Mission
    Ich kann seit Stunden nicht einschlafen! Ich habe es bereits mit heißer Milch mit Honig versucht, mit Schlaftabletten und mit Schäfchenzählen – keine Chance!
    Um die bestmögliche Wirkung zu erzielen, muss man ja die Schäfchen beim Zählen über ein Hindernis springen lassen. Mit den ersten dreißig, vierzig Schäfchen lief alles einigermaßen gut, die hüpften brav über eine Hürde und landeten auf der anderen Seite auf einer herrlich grünen Wiese. Aber was meinen Sie, wo das sechsundvierzigste und siebenundvierzigste Schäfchen landeten? Genau: in der Tiefkühltruhe, direkt neben Rudolf!
    Prompt fange ich wieder mit

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