Tote essen keinen Döner
geht’s aberr nicht um Details, sonderrn um Zusammenhalt und Einigkeit.«
»Igorr, hast du irgendwo Adolf gesehen?«, frage ich, um ihn abzulenken.
»Nein, Rudolf ist auch nicht da.«
»Rudolf? Welche Rudolf?«
»Rudolf Übelsocke, derr Frreund von Adolf.«
»Adolfs Freund, mein Freund«, rufe ich stolz. »Erzähl mal, wie ist der Mann so?«
»Ach, err ist genauso eine Knalltüte wie Adolf.«
»Was err machen? Wo arrbeiten?«
»Guterr Witz«, sagt Igorr und lacht sich kaputt. »Die beiden haben garrantiert noch keinen einzigen Tag was Vernünftiges gearrbeitet.«
Ganz vorne am Tresen klettert ein älterer Herr mit dem Mikro in der Hand auf den Tisch und rettet mich dadurch vor Igorr. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal so über einen rechten Dummschwätzer freuen würde! Höchst interessiert wende ich mich auf der Stelle zu ihm um und lasse Igorr links liegen.
»Kameraden, ich bitte um eure Aufmerksamkeit, bitte Ruhe … seid doch endlich mal ruhig, Mensch!«
Aber außer mir interessiert sich zurzeit offenbar niemand so brennend für den Hampelmann da vorne.
»Hallooo, hallooo, Ruhe im Saal!«, ruft er.
Da schnappt sich der Wirt das Mikro und brüllt:
»Schnauze!! Haltet doch endlich eure blöden Klappen, ihr Idioten! Ruhe jetzt! Der Kamerad Haidmann will jetzt |123| reden. Heute sind hier so viele neue Leute, die nur wegen ihm gekommen sind!«
Die Bezeichnung »Idioten« wirkt! Als sie beim Namen genannt werden, sind die Skinhääds plötzlich still.
Tatsächlich haben die »normalen« Besucher sich alle um den Redner geschart, ich muss hinten bei den Skinhääds bleiben, vorne gibt’s keine Plätze mehr.
»Guten Abend, liebe Freunde und liebe Kameraden, ich bringe euch die besten Grüße der RNU. Wenn wir endlich an der Macht sind, dann werden wir nicht nur reden, sondern entschlossen handeln. Wir werden fünf Millionen neue Arbeitsplätze schaffen!«
»Fünf Millionen Arbeitsplätze sind ein bisschen zu viel«, sage ich, »dann brauchen wir ja schon wieder ausländische Gastarbeiter.«
Aber kaum nimmt er das böse Wort »Arbeit« in den Mund, geht das Gequassel bei den Skinhääds wieder von vorne los. Ich glaube, er hat für den schick frisierten Teil des Publikums hier im Laden das falsche Thema ausgesucht.
Aber als alter Nazi ist er natürlich erfahren genug, um das selber zu merken, und zieht sofort ein Ass aus dem Ärmel:
»Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!«, brüllt er.
Und der ganze Saal tobt plötzlich:
»Deutschland den Deutschen, Ausländer raus! Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!«
»Die SPD und die CDU lassen unsere Polizei im Stich, meine lieben Kameraden! Wie ein Oma-Café sind unsere Polizeireviere nur noch von zehn Uhr bis siebzehn Uhr geöffnet. Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!«
|124| »Deutschland den Deutschen, Ausländer raus! Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!«
»Nicht reden, handeln, Kameraden! Deutsche Identität statt Multikulti! Kein Ausländerwahlrecht, keine doppelte Staatsbürgerschaft! Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!«
»Deutschland den Deutschen, Ausländer raus! Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!«
»Wir wollen endlich wieder zurück zu unseren urdeutschen, christlichen Traditionen, meine lieben Kameraden. Unsere Kirchen sind keine Stundenhotels. Deshalb kein Kirchenasyl für kriminelle Ausländer! Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!«
»Deutschland den Deutschen, Ausländer raus! Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!«
Das muss ich den Nazis lassen, egal, wie besoffen sie sind, diesen Spruch kriegen sie immer hin. Respekt!
»Alle reden von Demokratie, aber findet ihr es etwa demokratisch, Kameraden, dass unsere Plakate beschädigt oder geklaut werden? Wir hängen sie schon mindestens fünf Meter über den Boden, und trotzdem werden sie jede Nacht vom linken Pöbel beschädigt! Ist das die berühmte Demokratie, von der die Heuchler reden? Eins sag ich euch, wenn wir an die Macht kommen, wird niemand mehr ein Plakat von uns abreißen, dafür werden wir höchstpersönlich sorgen! Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!«
»Deutschland den Deutschen, Ausländer raus! Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!«
Als ich das so höre, tut der Mann da vorne mir fast leid und ich nehme mir vor, in Zukunft nicht mehr als fünfzig |125| Plakate nacheinander abzureißen. Dass mein linksradikaler Sohn Mehmet glaubt, mit seinen Kumpels Nacht für Nacht die ganze Stadt von
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