Tote essen keinen Döner
Bürgerschreck
Es war ja völlig klar, dass diese Veranstaltung der RNU in einer total versifften und verqualmten Kneipe stattfindet. Nicht einmal Mehmet hätte sich in diesem stinkenden Loch wohlgefühlt. Und das nicht nur wegen des Publikums, das ja aus noch größeren Einfaltspinseln besteht als dessen Aufhetzer vorne am Rednerpult, der momentan noch mit dem Mikro rumhantiert und die Anlage testet.
Der Laden ist natürlich eine Raucherkneipe. Logisch, dass Gedanken und Erfindungen, die gut für die Menschen sind, bei den Faschos nicht ankommen.
Aber fäirerweise muss ich erwähnen, dass nicht alle Skinhääds so aussehen, als wären sie nur wegen der Parteiveranstaltung hierhergekommen. Bei vielen habe ich den Eindruck, als würden sie sich schon seit neunzig Tagen ununterbrochen an Ort und Stelle besaufen.
Die RNU macht tolle Basisarbeit. Die Partei geht dahin, wo ihre Klientel sitzt – oder liegt!
Ich bin richtig stolz auf mich. Auf so eine geniale Idee, sich als Skinhääd zu tarnen – und das schon zum zweiten Mal –, ist bisher noch nicht mal der berühmte Wallraff gekommen. Osman Wallraff – ganz, ganz unten! Auch mit den Nerven! Ich schwitze und zittere hier die ganze Zeit, aus Angst, dass sie rauskriegen, wer ich in Wirklichkeit bin. Zum Glück gibt es hier heute recht viele Leute, die |120| anscheinend nicht zum Stammpublikum gehören. Es sind viele normale Menschen da, die mit Anzug und Krawatte rumlaufen und wie der Nachbar von nebenan aussehen. Ich kann nur hoffen, dass nicht wirklich Nachbarn von mir hier sind.
Zwei Tische weiter entdecke ich einen richtigen Stammtisch. Diese Stammtischbrüder haben auch alle eine hübsche Glatze, aber bei denen ist kein Frisör daran schuld, sondern ihr fortgeschrittenes Alter. Die sind nämlich alle schon weit über fünfzig.
»Wenn wir alle Ausländer rauswerfen, dann haben wir endlich wieder Arbeit«, ruft einer von denen, in jeder Ecke der Kneipe gut hörbar.
Ich überlege mir, in welcher Branche man wohl so besoffen arbeiten darf, und werde umgehend aufgeklärt:
»Überall Dönerbuden mit langbärtigen Türken drin«, schimpft sein Kumpel.
Ach so, jetzt hab ich’s kapiert, die wollen die Dönerbuden übernehmen. So viel Unternehmergeist imponiert mir, und ich setze mich gleich zu denen an den Tisch.
»Wir brauchen endlich wieder einen kleinen Hitler in Deutschland«, stellt der Nächste fest.
»Wieso denn so bescheiden, Kollege? Das Original war doch schon mickrig genug. Diesmal wünsche ich mir einen richtig großen Hitler«, schleime ich in die Runde.
»Damals im Nationalsozialismus, da hatten wir alle Arbeit«, stellt derjenige wieder fest, der schon alle Dönerbuden übernehmen wollte. Wenn der Kerl bloß wüsste, was das für eine grauenvolle Arbeit ist. Ein schrecklich heißer 2 0-Stunden -Job für einen lächerlichen Stundenlohn, der nur mit einer großen Sippschaft zu schaffen ist.
|121| »Wirklich, im Nationalsozialismus hattet ihr alle Arbeit? Ihr habt euch aber echt gut gehalten. So alt hätte ich keinen von euch eingeschätzt«, setze ich meine Schleimer-Taktik fort.
»Alle Ausländer sind kriminell!«, kommt als Antwort.
Obwohl ich es für ausgeschlossen halte, dass alle Ausländer ständig eine Leiche im Keller haben, gebe ich ihm ordnungshalber doch recht:
»Klar, Kumpel, ich hab bisher noch nie gesehen, dass ein Türke in der Straßenbahn schon mal ein Ticket gekauft hat. Entweder haben die alle eine Monatskarte oder sie sind wirklich kriminell. Die Chancen stehen fifti-fifti.«
»Und die Schwulen, die sind alle pervers!«
»Meinst du etwa die türkischen Schwulen?«
»Ja, die erst recht!«
»Schwule Türken!«, schimpfe ich.
»Und wegen der EU sind wir die Zahlmeister Europas!« »Schwule EU!«, bestätige ich wieder.
»Ossis sind undankbar! Man sollte sofort wieder die Mauer bauen!«
»Schwule Ossis!«
»Frauen gehören an den Herd, dann haben wir hier wieder genügend Arbeitsplätze!«
»Schwule Frauen!«
»Kollegen, ich sag’s euch, alle Emanzen sind Lesben!«
»Schwule Lesben!«
»Hey Waldemarrr, wie geht’s dirrr?«
»Schwuler Waldemarr!«, wiederhole ich.
Bei Allah, der nervige Igorr, an den Doppel-Rs hätte ich den Russlanddeutschen eigentlich sofort erkennen müssen. Hoffentlich fliegt meine Tarnung nicht auf!
|122| »Waldemarr, am Stammtisch muss es zack, zack gehen, du darrfst dich nicht bei einem Thema aufhalten. Du bist errst bei den Türrken steckengeblieben und dann bei den Schwulen. Hier
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