Tote essen keinen Döner
das ganze Stadtbild versauen, von den Laternen runterprügeln. Ich verzichte auf das schöne Kopfgeld und notiere mir weder ihre Moped- noch ihre Autokennzeichen.
Kurz darauf beobachte ich, wie zwei junge Burschen in eine Bäckerei einbrechen. Eigentlich ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt dafür: Die frischen Brötchen wurden noch nicht geliefert, und die Kasse ist schon gestern Abend geleert worden. Mit nur zwei Kartons billigem Kaugummi müssen die beiden glücklosen Gängster sich begnügen. Wer weiß, vielleicht sind die Räuber ja verzweifelte Kaugummi-Dschankies, die einbrechen mussten, weil ihnen der Stoff ausgegangen ist und die Entzugserscheinungen unerträglich wurden.
Als ich auch noch die letzte Parole übermalt habe, bin ich total erleichtert und fahre zufrieden wieder nach Hause. Da sehe ich an der Ampel neben mir ein Taxi stehen und verschlucke mich fast an meiner eigenen Zunge: Auf dem Beifahrersitz hat sich dieser Igorr breitgemacht! Ein Glück, dass der Fascho mich nicht bemerkt hat! Was macht der denn in einem Taxi um diese Zeit?
Wahrscheinlich notiert er sich die Plakat-Abreißer, um sich das Verräter-Geld zu sichern. Ob er mich beim Wändestreichen auch beobachtet hat?
|145| Ohne das Licht einzuschalten, folge ich dem Taxi unauffällig in sicherer Entfernung. In einem Mini würde ich mich jetzt viel wohler fühlen als in so einem riesigen Ford-Transit. Ich komme mir vor wie ein kleines Kind, das die Augen schließt und denkt, es könne jetzt auch nicht mehr gesehen werden.
Fünf Minuten später hält das Taxi in der Innenstadt, und Igorr steigt aus. Die Straßen sind wie ausgestorben, und es hat angefangen zu regnen. Die Nacht ist sehr dunkel. Auf dem nassen Asphalt glänzen einzig die Straßenlampen und Igorrs Glatze. Ich fahre rechts ran, steige aus, krempele meinen Mantelkragen hoch und folge Igorr unauffällig.
Wieso die Spione in Spielfilmen in so einer Situation immer den Mantelkragen hochstellen, ist mir eigentlich ziemlich schleierhaft. Denken die etwa, dass man sie dann nicht sieht? Da finde ich ja sogar das Augenschließen von Kindern noch logischer.
Eine Straße weiter bleibt Igorr vor einem Schaufenster stehen und schaut auf die Uhr. Wartet er etwa auf seine Komplizen? Wollen sie zusammen dieses Geschäft ausrauben? Aber das ist ja ein Laden für Damenunterwäsche. Was will Igorr mit so vielen Frauenunterhosen denn machen? Der Kerl ist also nicht nur ein Faschist, sondern auch noch ein Fetischist. Womöglich sogar ein Transvestit! Aber wenn er Frauenunterwäsche braucht, dann muss er doch nicht gleich einbrechen, bei C&A gibt’s die Dinger im Zehnerpack für 5 Euro; hat sich meine Frau erst letztens gekauft!
Jetzt läuft Igorr wieder weiter – ich hinter ihm her! Nach zwanzig Metern macht er kehrt und kommt wieder zu seinen Frauenunterhosen zurück.
|146| In dem Moment kommt ein anderer Mann um die Ecke und geht direkt auf Igorr zu. Die beiden begrüßen sich. Igorrs Komplize kommt mir auch ziemlich bekannt vor. Wahrscheinlich hab ich ihn bei der RN U-Veranstaltung gesehen.
Jetzt geht’s bestimmt zur Sache! Aber die beiden entfernen sich plötzlich schnellen Schrittes weg von dem Laden. Haben wohl doch nicht so großen Bedarf an Frauenunterwäsche. Jedenfalls nicht im Moment. Als sie die Straße überqueren, sehe ich das Gesicht von dem anderen Mann im Laternenlicht plötzlich ganz deutlich. Bei Allah, das kann doch nun wirklich nicht wahr sein! Diesen Mann kenne ich nicht aus der Kneipe, sondern von zu Hause. Das ist dieser Kommissar Knochenhauer, der uns vor ein paar Tagen besucht hat!
Die Polizei, unser sogenannter Freund und Helfer, macht gemeinsame Sache mit den Faschos! Ich krieg die Krise! So weit ist es also schon gekommen?
Die Sache wächst mir langsam ganz gewaltig über den Kopf!
Andererseits war es goldrichtig, dass wir die Polizei nicht hinzugezogen haben. Das wäre ja fast so, als würde man dem bösen Wolf die armen Hühner anvertrauen. Ich hätte natürlich liebend gerne gewusst, worüber die beiden reden und was sie im Schilde führen. Deshalb verfolge ich sie mit rasendem Herzen aus noch größerer Entfernung weiter. Nach fünf Minuten sind sie auch schon bei dem riesigen Polizeigebäude aus dem 18. Jahrhundert angekommen und gehen sofort rein. Ich schleiche mich auch an die Eingangstür, aber die ist abgeschlossen. Zu klingeln und dem wachhabenden Beamten zu sagen: »Euer |147| Kommissar Knochenhauer macht gemeinsame Sache mit den Nazis«,
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