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Tote essen keinen Döner

Titel: Tote essen keinen Döner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nichts.
    Nachdem sich mein Herz wieder einigermaßen beruhigt hat, mache ich die kleine Tischlampe an. Oh nein, muss das sein? So viele Akten! Wir sind doch nicht bei der Ausländerbehörde!
    |150| Ich mache mich schnell an die Arbeit. Zuerst nehme ich mir den Buchstaben E vor, um nach einer Viertelstunde frustriert festzustellen, dass unser Fall nicht unter »Engin« geführt wird. Warum auch, der Tote heißt ja auch Gott sei Dank nicht Engin, sondern Adolf. Nach einer erneuten Viertelstunde vergeblichen Suchens bei A fällt mir ein, dass der Mann ja in Wirklichkeit Dominique hieß. Eine zehnminütige Recherche aller Akten unter D bringt mich wiederum nicht weiter. K vielleicht, wie Karnickelweg? Fehlanzeige! I wie Igorr? Auch nicht! Bei Allah, ich höre Schritte auf dem Flur! Die beiden kommen wieder zurück! Ich weiß nicht, was ich machen soll, schalte schnell das Licht aus und verstecke mich hastig unter dem Tisch. Aber es kommt niemand rein. Die Schritte im Flur verhallen.
    Bewegungslos kauere ich neben dem Mülleimer, in dem wohl eine Bananenschale und ein Eier-Mayonnaise-Sandwich langsam verrotten. Gut, dass Eminanim mit ihrer empfindlichen Nase nicht dabei ist. Unter diesem Schreibtisch ist ohnehin nicht genug Platz für zwei. Nicht mal für mich alleine!
    Ich kann mich nämlich überhaupt nicht gemütlich ausstrecken, als die Schlaftabletten mit ein paar Stunden Verzögerung wohl doch noch ihre Wirkung zeigen und ich auf dem Boden in tiefen Schlummer falle.

|151| Akte Nowosibirsk
    Durch lautes Klopfen und Rütteln an der Tür werde ich plötzlich wach.
    »Was soll denn der Lärm da draußen, wer stört mich schon um diese unmögliche Zeit?«, brülle ich instinktiv. »Entschuldigung, ich wollte zu Herrn Knochenhauer«, ruft jemand von draußen verschüchtert.
    »Ich hab aber heute überhaupt keine Zeit, kommen Sie morgen wieder«, brülle ich zurück.
    Zum Glück weiß ich aus der Türkei ganz genau, wie man sich als Beamter diesem unverschämten und aufdringlichen Fußvolk gegenüber zu verhalten hat, das einen nicht mal im Büro in Ruhe schlafen lässt.
    »Wann darf ich denn morgen wiederkommen?«, fragt das schüchterne, verunsicherte Stimmchen.
    »So etwa eine Stunde später!«
    Bei Allah, es ist schon Viertel nach zehn! Es sind sehr viele Schritte und Geräusche draußen im Flur zu hören. Die ganzen Beamten sind alle brav zur Arbeit gekommen – im Gegensatz zu mir!
    Total verschlafen krabbele ich unter dem Schreibtisch hervor und rufe von Kommissar Knochenhauers Telefon in Halle 4 an. Ich erkläre dem Meister Viehtreiber, dass ich heute nicht arbeiten kann, weil mein Onkel Ömer aus der Türkei unangemeldet zu Besuch gekommen ist.
    |152| Ich bin mir sicher, der Kommissar schläft sich jetzt auch irgendwo aus und wird sich heute garantiert nicht mehr in seinem Büro blicken lassen. Wollen wir hoffen, dass Beinbrecher seinen Beruf auch nicht so ernst nimmt.
    Ich fange bei den Akten ganz vorne an und gehe noch mal das ganze Alphabet durch.
    Kurz vor zwölf Uhr werde ich dann endlich unter dem Buchstaben N fündig. Aber nicht etwa bei N wie Nazi, sondern N wie Nowosibirsk! War ja auch klar, dass der Kommissar Knochenhauer weder den echten Namen von seinem Nazi-Freund Igorr nehmen würde noch einen anderen, der direkt zu ihm führen kann. Aber kaum habe ich diese Akte aufgeschlagen, sehe ich schon ein heimlich gemachtes Foto von Igorr, wo er mit einigen fiesen Gestalten zusammen zu sehen ist. Wie sagt man so schön: Eine Hand wäscht die andere. Erst recht, wenn beide unglaublich viel Dreck am Stecken haben! Erst gestern hat mir Nermin erzählt, dass es schon Fälle gegeben hat, wo die Polizei mit den Rechtsradikalen unter einer Decke   …
     
    Ich klemme mir die Akte Nowosibirsk unter den Arm und trete in einem Moment, in dem ich keine Geräusche vor der Zimmertür hören kann, ganz locker auf den Flur hinaus. Der Kommissar scheint sich heute wirklich einen faulen Tag zu machen – nicht schlecht, dieses Beamtenleben.
    Ich gehe ganz kuul weiter und verschwinde unauffällig schräg gegenüber in der Toilette. Mich länger als nötig in den Büros von den beiden Kommissaren aufzuhalten scheint mir auf Dauer doch ein wenig zu riskant.
    Im Klo gibt es drei Pissuars und drei Kabinen. Vor einem |153| der Pinkelbecken steht ein Zivilist mit offener Hose gelangweilt und rauchend rum. Ich kenne das aus eigener Erfahrung – manchmal braucht es halt seine Zeit. Besonders, wenn ein Fremder sich neben einem

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