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Tote essen keinen Döner

Titel: Tote essen keinen Döner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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aufpflanzt und ständig neugierig rüberschielt. In solchen Situationen tue ich immer so, als wäre ich schon fertig, und gehe einfach raus. Ich bewundere die Männer, die dabei sogar seelenruhig ein belegtes Brötchen essen, ins Händy brüllen, Zeitung lesen und mit dem Strahl drei Fliegen hintereinander treffen können. Je mehr Zuschauer sie dabei haben, umso mehr laufen sie zur Höchstform auf. Ich treffe leider nicht mal eine lebensmüde Ameise. Aber meine Schuhe und Hosenbeine treffe ich jedes Mal.
    »Frohes Schaffen«, wünsche ich dem Herrn am Pissuar und gehe in das rechte Klo rein.
    Mit dem Lesen der Akte werde ich aber so lange warten, bis vom Pissuar die üblichen Geräusche kommen.
    »Hilf den Bullen – erschieß dich selbst!«, steht an der Wand.
    »In diesem Augenblick bist du der einzige Polizist weltweit, der weiß, was er tut!«
    Wer hätte gedacht, dass Bullen so selbstkritisch sein können?
    »Such nicht nach Witzen an der Wand, den größten hältst du in der Hand!«
    Okäy, ich suche nicht mehr. Draußen ist die Luft auch schon rein. Natürlich nur so rein, wie sie es auf einer Herrentoilette halt sein kann. Ich öffne total gespannt die Akte Nowosibirsk und komme mir sofort vor, als würde ich in der aktuellen Ausgabe des ›Pläyboy‹ blättern. Wobei ich durch meinen jetzigen Aufenthaltsort in dem Gefühl |154| bestärkt werde. Ein hübsches Mädel jagt das nächste: Anja, Anastasia, Diana, Irina, Katharina, Maria, Natascha, Nadja, Olga   …
    Plötzlich höre ich, wie draußen mit lautem Knall die Toilettentür aufgestoßen wird! Bei Allah, die haben mich doch erwischt!
    Jemand rennt rein und   … reißt das Fenster auf. Mehrere Männer laufen hinter ihm her, zerren ihn von der Fensterbank runter, und er klatscht auf den Boden. Sein gequältes Gesicht wird unter meiner Klotür durchgeschoben.
    »Hallo, Herr Engin«, grüßt mich ein völlig überraschter Dschankie.
    »Hallo Heiko, oder war’s Detlef?«, murmele ich genauso überrascht zurück.
    »Ich bin’s, Heiko!«
    Vor sechs, sieben Jahren waren dieser Heiko und mein Sohn Mehmet Klassenkameraden und gute Kumpels. Dann entschied sich Heiko für ein aufregendes Leben als Drogenkurier, Mehmet wurde Revoluzzer, und deshalb verloren sich die beiden aus den Augen. Ich habe ihn nie wieder bei uns in der Wohnung gesehen. Aber wer weiß, vielleicht schließen sich die beiden ja bald wieder zusammen. Wie soll man denn ohne Drogengelder eine ordentliche Revolution finanzieren?
    »Die Ratte wollte über das Klofenster flüchten«, ruft einer von den Bullen, und Heiko wird an den Füßen aus dem Klo gezerrt. Ich höre, wie ein Polizist noch im Toilettenraum dem Heiko wütend eine knallt!
    »Du dämliche Fascho-Sau!«, brüllt Heiko und bekommt sofort noch eine gescheuert. Damit hätte der Junge eigentlich rechnen müssen – nicht jeder kann nämlich |155| die Wahrheit vertragen! Aber woher weiß denn sogar dieser Heiko, dass einige Bullen hier mit den Faschos zusammenarbeiten?
    Ich blättere weiter in der ›Pläyboy‹-Akte. Langsam, aber sicher wird mir klar, dass ich weder in der aktuellen Ausgabe des ›Pläyboy‹ noch in der Vermisstenakte Adolf blättere! In dieser Akte geht es ausschließlich um Frauenhandel! Nach dem Datum auf den Berichten zu urteilen, verfolgt Kommissar Knochenhauer diesen Fall schon seit mehreren Jahren. Außer den hübschen Frauenfotos gibt es auch jede Menge Bilder mit hässlichen Männervisagen. Deutsche und Russen, die die Frauen gemeinsam in den Westen verschleppen. Ich entdecke viele Adressen von sogenannten Modellwohnungen, in denen man den Frauen die Pässe abnimmt und sie mit Prügeln zur Prostitution zwingt. Ich muss sagen, in diesem Fall hat Kommissar Knochenhauer richtig gute Arbeit geleistet. Er hat zum Beispiel der sechsundzwanzigjährigen Daria, die von den Menschenhändlern schrecklich misshandelt worden ist, eine neue Identität verschafft und dazu auch noch ihre Familie in Nowosibirsk in Sicherheit gebracht, damit Daria ohne Angst gegen die brutalen Peiniger aussagen kann. Knochenhauer hat vor kurzem auch die Staatsanwaltschaft informiert und wartet offensichtlich auf den richterlichen Beschluss, um die Bande hochnehmen zu dürfen.
    Also, meine Erlaubnis hat er! Ich werde die Akte jetzt sofort wieder zurücklegen, um die Ermittlungen nicht zu stören.
    Ich verlasse meine Kabine, mache die Toilettentür einen Spalt auf und stecke meinen Kopf vorsichtig ein wenig |156| raus. Genau in dem Moment

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