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Tote essen keinen Döner

Titel: Tote essen keinen Döner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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den Nullpunkt sinken. Aber in der Hoffnung, dass man inzwischen nach Adolf auch Rudolf abgeholt hat, latsche ich lustlos nach unten.
     
    Nein!! Das kann doch nicht wahr sein!! Es ist genau umgekehrt: Rudolf ist noch da und auch Adolf ist wieder zurückgekommen – diesmal in einer eigenen Tiefkühltruhe! Sofort renne ich nach oben.
    »Eminanim, ich hab die Nase voll! Ich fahre jetzt direkt in den Baumarkt und hole das dickste Schloss, das man für Geld bekommen kann, um unsere Kellertür endlich dicht zu kriegen!«
    »Was ist denn los, Osman, dreht sich unser Leichen-Karussell etwa immer noch munter weiter?«
    »Na ja, Rudolf ist noch da, der hat sich überhaupt nicht bewegt. Aber dazu haben wir auch noch Adolf wieder zurückbekommen. Jetzt haben wir schon zwei Nazi-Leichen im Keller!«
    »Mein Gott, ich fass es nicht, das ist ja alles so schrecklich!«
    »Na ja, ganz so schrecklich ist das alles auch wieder nicht«, versuche ich sie einigermaßen zu trösten,»schließlich haben wir heute kostenlos eine neue Tiefkühltruhe bekommen.«

|164| Big Bradda
    In Wahrheit ist es keineswegs ein Trost für mich, dass die toten Nazis mittlerweile mit den dazugehörigen Tiefkühltruhen bei uns angeliefert werden. Wenn sie wenigstens in einem schicken Mercedes-Sprinter kämen!
    Bevor ich demnächst unten im Keller ein riesengroßes Leichenschauhaus mein Eigen nennen darf, fahre ich lieber zum Baumarkt und kaufe mir ein anständiges Schloss, um diesem Treiben ein Ende zu setzen. Ich möchte mir wegen dieses Versäumnisses »meinen Kopf nicht gegen die Wände hauen«. Das war jetzt auf die Schnelle eine türkische Redensart. Auf Deutsch würde man sagen: »Hinterher könnte ich mich ohrfeigen« oder: »Ich könnte mir in den Hintern beißen«. Plötzlich schlage ich aber wirklich mit dem Kopf gegen die Wand und werde mit voller Wucht zurückgeschleudert. In den Minuten, die ich völlig benommen auf dem Boden liege, zähle ich dreiundsiebzig Sterne – die siebenundzwanzig Sternschnuppen noch nicht mal mitgerechnet. Und auf meinem Kopf entwickelt sich eine so riesige, leuchtende Beule, dass man mich glatt für zwei Skinhääds halten könnte.
    »Osman, nach fünfzig Jahren müsstest du doch eigentlich wissen, wie groß du bist«, ruft Eminanim vorwurfsvoll.
    »Wieso, so groß bin ich ja auch wieder nicht. Durch |165| diesen Türrahmen habe ich bisher jedenfalls immer locker gepasst.«
    »Du Blindfisch, und was ist mit diesem dicken Holzbalken, den die Handwerker zwischen die Leitern gelegt haben, um die Decke zu streichen?«
    Jetzt erst sehe ich die tolle, stabile Konstruktion direkt vor der Tür auf Stirnhöhe, die mich k. o. geschlagen hat.
    »Eminanim,das ist ein bösartiges Komplott gegen mich. Ein hinterlistiger, geheimer Plan der Handwerker! Die konnten mich noch nie leiden!«
    »Diesen riesigen Holzbalken mitten im Zimmer findest du also geheim?«
    Mit Hilfe meiner Frau drehe ich mich auf dem Boden um, krabbele ein bisschen auf allen vieren und ziehe mich am Sofa hoch.
    Hoffentlich habe ich keine Gehirnerschütterung oder einen anderen Dachschaden davongetragen.
    »Papa, Papa, schau mal, soeben ist mein Diplom mit der Post gekommen«, kreischt meine Tochter Nermin freudestrahlend, »jetzt bin ich eine richtige, staatlich anerkannte Hundeversteherin!«
    »Schön für dich, meine Tochter«, tue ich hocherfreut mit schmerzverzerrtem Gesicht und lasse mich aufs Sofa fallen.
    »Jetzt kann ich ohne Probleme einen Hund ausführen und ihm zeigen, wo es langgeht.«
    »Zeig doch erst mal deinem Vater, wo es langgeht, der hat’s wesentlich nötiger«, ruft ihre Mutter gehässigerweise dazwischen.
    »Papa, ich kann es kaum abwarten, ich platze vor Glück«, jubelt Nermin. »Lass uns sofort ins Tierheim fahren, |166| damit ich mir endlich einen Hund ausleihen kann. Ich flippe gleich aus! Das ist doch Wahnsinn! Voll krass!«
    Diese Folgeerscheinung des Unfalls (oder Attentats?) finde ich viel tragischer als die hässliche Beule oder eine Gehirnerschütterung. Aber da meine Tochter nicht lockerlässt, fahren wir wieder bis ans andere Ende der Stadt, damit sie sich einen Köter ausleihen kann.
    Die verantwortliche Dame im Tierheim freut sich riesig, dass meine Tochter das Hundeexamen mit »sehr gut« bestanden hat. Aber da Nermin zur Volljährigkeit noch ein paar Wochen fehlen, müssen beide Elternteile ihr Einverständnis geben und dieses zwölfseitige Formular in doppelter Ausfertigung ausfüllen.
    Ich für meinen Teil unterschreibe

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