Tote essen keinen Döner
den Mörder verrate. Sonst schimpfst du doch deshalb immer mit mir.«
»Komm, lass uns weiter zurückspulen.«
Atemlos spulen wir das Bild zurück, auf dem minutenlang nichts anderes als zwei Tiefkühltruhen zu sehen ist. Ein normalerweise stinklangweiliges und total banales Standbild verursacht bei uns fast einen Herzstillstand.
Doch plötzlich, nach langem Zurückspulen, kommt auf einmal Leben in das Bild. Gestern Nacht, laut Bildschirm genau um 3:47 Uhr, tragen zwei maskierte Typen die neue Tiefkühltruhe herein. Ist deren Maskierung eine allgemeine Vorsichtsmaßnahme, oder wissen sie schon von der Kamera oben an der Decke?
Plötzlich wird mir einiges klar: Meine Tochter Zeynep hat sie gewarnt. Sie hat denen auch den Hausschlüssel gegeben, dadurch konnten sie einfach so reinspazieren. Trotz der Maskierung habe ich den ersten Mann nämlich sofort wiedererkannt. Ein quadratisch aussehender Zwerg mit |173| weißen Schuhen und schwarzen Absätzen, das kann nur Luigi sein! Und der zweite kommt mir auch sehr bekannt vor. Noch so einen Quadratzwerg auf Sizilianerschuhen: der andere Luigi!
Entpuppt sich diese unheimliche Mördergeschichte, die am Anfang sehr politisch motiviert aussah, vielleicht noch als Familiendrama?
Aus meiner Sicht gibt es einen klaren Wechsel an der Puulposischen der Tatverdächtigen: Luigi hat Mehmet in diesem Moment den ersten Platz weggeschnappt. Und ganz sauber scheint meine Tochter Zeynep auch nicht zu sein. Was ich immer noch nicht ganz kapiere, ist die große Brutalität der Tat. Und was ist mit Rudolf? Meiner Frau verrate ich aber nichts von alledem! Ich kann nämlich noch nicht mit Sicherheit sagen, dass ihre Tochter im besten Falle nur der »Beihilfe zum Mord« angeklagt wird. Was ich inzwischen mit Sicherheit sagen kann, ist, dass die beiden Luigis auf jeden Fall was mit dem Mord zu tun haben und sich den toten Adolf ein paar Tage von uns ausgeliehen haben. Zum Glück genau an dem Tag, als die Polizei unsere Wohnung durchsucht hat. War es Zufall? Ich weiß es nicht! Viele religiöse Menschen behaupten ja, dass es keine Zufälle gibt und unser Schicksal schon festgelegt ist. Wieder andere Menschen sind der Meinung, all das, was uns tagtäglich widerfährt, sei nur das, was wir im Unterbewusstsein ständig herbeisehnen.
Aber ich glaube weder, dass irgendjemand für mich vor geraumer Zeit zwei Leichen im Keller festgeschrieben hat, noch, dass ich mir diese beiden toten Nazis herbeigewünscht habe – auf jeden Fall nicht in meinem eigenen Keller!
|174| »Eminanim, lass uns doch noch weiter zurückspulen. Vielleicht haben wir Glück und können auch noch sehen, wer die Leichen umgetauscht hat – womöglich sogar ohne Maske.«
Mit pochendem Herzen setzen wir unsere Zeitreise fort. Eine Weile glotzen wir voller Spannung nur unsere Tiefkühltruhe an, die jetzt völlig alleine dasteht.
Diese langweilige Kühlkiste ist spannender als ein Dutzend Hitschkok-Filme zusammen. Plötzlich kommt wieder Bewegung ins Bild. Wir spulen zurück bis zum Anfang der Szene:
Die Kellertür geht auf … und Mehmet kommt rein, klettert auf die Tiefkühltruhe und – spuckt uns an! Nicht direkt natürlich. Er spuckt die Linse der Kamera an und wischt sie dann mit seinem Hemdsärmel ab.
»Wie oft habe ich ihm gesagt, dass er dafür nicht seinen Hemdsärmel nehmen soll«, schimpft Eminanim.
Dann fummelt er weiter an der Kamera rum und weiß nicht, ob er sie mehr zur Tür oder zum Fenster stellen soll. Zum Schluss entscheidet er sich wieder für die alte Position und verschwindet aus dem Bild.
Danach ist sein Vater dran: ich!
Wir sehen, wie ich nachts im Keller in einer Ecke zusammengekauert hocke, dabei erbärmlich zittere und auf Mörder und weitere Leichen warte.
Jetzt fange ich erneut an zu zittern – diesmal vor Wut! »
Eminanim, dein Sohn hat mich von seinem warmen, bequemen Stuhl aus angeglotzt, während ich unten fast am Erfrieren war, und hat nicht mal Bescheid gesagt! Wahrscheinlich hat er dabei sogar Tee getrunken!«
»Das hast du nun davon, Osman, wenn du deine liebe |175| Ehefrau hintergehen willst. Warum hast du mir denn nicht Bescheid gesagt, dass du unten heimlich Wache schiebst. Ich hätte dir auf jeden Fall heißen Tee und leckere Börek gebracht.«
»Toll, denkst du, wenn ich da unten ein Picknick veranstaltet hätte, hätte der Mörder sich blicken lassen?«
»Soviel ich weiß, hast du den Mörder auch so nicht gefasst!«
Da die Reise in die Vergangenheit für uns
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