Tote essen keinen Döner
ist. Für einen Nazi sehr gut erzogen und ziemlich bescheiden. Vielleicht mag er ja aus Prinzip kein ausländisches Essen. Aber was er mit den beiden Hammelköpfen in der Tiefkühltruhe angestellt hat, weiß ich bis heute nicht. Diese Tiere werden von meinem Schlachter Kasap Kazim nach islamischen Regeln geschächtet und treten deshalb in der letzten Sekunde vor ihrem Ableben zum wahren Glauben über und landen somit zufrieden und glücklich im Hammelparadies, bevor sie anschließend in Eminanims Schnellkochtopf und dann in meinem Bauch landen und mich zufrieden, glücklich und dazu auch noch ganz schön satt machen.
»Noch mal zu meiner Frage, Herr Engin, ist Ihnen in der letzten Zeit was Verdächtiges aufgefallen?«, schmatzt er weiter.
»Das einzig Verdächtige hier sind die verschnürten Teppiche an der Wand«, sage ich wahrheitsgemäß.
Er lacht sich kaputt:
»Alle orientalischen Restaurants haben doch Teppiche. Entweder auf dem Boden, an der Wand oder oben an der Decke.«
Ich mache mir langsam Sorgen, dass Adolf bald zu stinken anfängt. Es ist nämlich ganz schön heiß hier drin.
»Herr Engin, ich meine doch, ob Sie in Ihrem Haus was Verdächtiges beobachtet haben. Ich nehme an, dass es von Ihrem Nachbarn, Dominique Nachtigall, immer noch kein Lebenszeichen gibt, nicht wahr?«
|183| »Nein, kein
Lebens
zeichen von ihm!« Ich muss immer so reden, dass er mir später daraus keinen Strick drehen kann.
»Aber von seinen Nazi-Kollegen schon! Als ich kürzlich nachts aufs Klo musste, habe ich zwei Skinhääds auf der Straße vor unserem Haus beobachtet.« Dass sie Rudolfs Leiche zu uns geschleppt haben, verschweige ich erst mal, so lange mein Wagen nicht da ist und er noch mit Adolfs Leiche auf Tuch- bzw. Teppichfühlung ist.
In dem Moment klingelt mein Händy.
»Osman, wo steckst du?«, schreit meine Frau aufgeregt, »Adolfs Leiche, die wir heute wiederbekommen hatten, ist erneut verschwunden. Aber die Tiefkühltruhe haben sie dagelassen. Mehmet ist stinksauer, weil wir aus Versehen seine Kamera ausgeschaltet haben.«
»Mehmet ist also wieder zu Hause?«
»Ja! Aber hast du mich verstanden, Adolf ist erneut verschwunden!«
»Er ist nicht verschwunden, er ist hier bei mir«, sage ich auf Türkisch.
»Wer, der tote Adolf?«
»Ja.«
»Wo?«
»Im ›Istanbul Imbiss‹, bei uns im Karnickelweg.«
»Im ›Istanbul Imbiss‹? Was macht ihr denn da?«
»Wir essen Döner und Köfte.«
»Osman, du Spinner, du nimmst mich wieder auf den Arm, nicht wahr?«
»Waaas, eine Leiche, sagst du?«, brülle ich laut – diesmal auf Deutsch. »Frau, bist du sicher, dass wir eine Leiche bei uns im Keller haben?«
|184| »Osman, tickst du heute nicht richtig? Was hast du gegessen?«
»Bei Allah, das kann doch nicht wahr sein! Gut, dass zufällig auch der Kommissar Knochenhauer hier bei mir ist! Ich werde ihm sagen, dass wir eine Leiche im Keller haben. Wir kommen sofort!«
»Du kommst mit dem Kommissar hierher?«
»Ja, tschüss, bis gleich!«
»Herr Engin,was ist los? Ich hörte was von einer Leiche?«
»Sie haben richtig gehört, Herr Kommissar. Meine Frau ist ganz aufgelöst, wir sollen angeblich eine Leiche bei uns im Keller haben.«
»Lassen Sie uns sofort gehen!«
Knochenhauer vorne, ich hinten, tragen wir den Adolf aus dem Imbiss und hetzen zu dritt nach Hause. Mit der linken Hand fingere ich die Autoschlüssel aus der Tasche.
»Herr Kommissar, mein Sohn hat den Wagen schon zurückgebracht. Dort steht er. Stellen wir die Teppiche doch bei Franz-Josef ab.«
»Wer ist denn Franz-Josef? Der Teppichhändler?«, schnauft er.
»Nein, nein, mein treuer Kumpel Ford-Transit heißt so mit Spitznamen.«
»Herr Engin, ob es wohl Ihr Nachbar, Dominique Nachtigall, ist, der tot in Ihrem Keller liegt?«
»Das glaub ich kaum, der liegt nämlich gerade tot auf Ihrer Schulter«, kann ich natürlich nicht sagen, obwohl ich sehr gespannt auf seine Reaktion wäre. Stattdessen lüge ich wie gedruckt – wie Mehmets Zeitung sozusagen: »Kann ich Ihnen nicht sagen. Meine Frau kennt den Dominique Nachtigall doch gar nicht persönlich.«
|185| Den fest verschnürten Adolf werfen wir auf die Rückbank vom Transit.
»Herr Kommissar, jetzt fällt mir ein, dass ich die beiden Skinhääds eigentlich heute Nacht wieder vor unserem Fenster gesehen habe. Die haben auch was Sackartiges getragen.«
»Als Sie wieder aufs Klo gingen?«
»Ja. Ich muss sehr oft in der Nacht raus.«
»Ihre Prostata macht Ihnen wohl
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