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Tote essen keinen Döner

Titel: Tote essen keinen Döner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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farblich doch nicht in unsere neue Wohnung, ich soll sie umtauschen.«
    Auch das noch! Das hat man davon, wenn man alles überstürzt – Mehmet hat den Wagen mitgenommen!
    »Oh, ich befürchte, mein Sohn ist mit meinem Auto weggefahren!«, stottere ich total schweißgebadet und stehe mitten auf der Straße wie bestellt und nicht abgeholt mit einer Leiche samt dem dazugehörigen Kommissar.
    »Herr Engin, mein Wagen steht da vorne an der Ecke. Ich fahre Sie gerne zum Teppichgeschäft, unterwegs können wir uns ja ein bisschen unterhalten. Ich hab sowieso noch ein paar Fragen an Sie.«
    »Nein, nein, nicht nötig, ich trage die Teppiche wieder zurück ins Haus«, rufe ich – aber da läuft er schon mit Adolf auf der Schulter energisch zu seinem Auto.
    Klasse! Wie komme ich jetzt aus diesem Dilemma raus?! Zu welchem Teppichhändler sollen wir überhaupt fahren? Wer würde schon einen toten Nazi gegen einen Perserteppich umtauschen?
    Solche und ähnliche Fragen schießen mir durch den Kopf, als ich zusammen mit Kommissar Knochenhauer und Dominique »Adolf« Nachtigall den Karnickelweg entlanglaufe.
    |180| »Herr Engin, lassen Sie uns kurz in diesen Dönerladen reingehen«, sagt er plötzlich.
    »Wieso, haben Sie etwa einen Verdacht?«, frage ich wie ein Häufchen Elend mit schlotternden Knien.
    »Was für einen Verdacht denn?«, brüllt er so laut zu mir nach hinten, dass er einen Toten damit wecken könnte. Aber den Adolf auf seiner Schulter, der Kopf an Kopf mit dem Kommissar durch die Gegend spaziert, lässt das Ganze offensichtlich kalt.
    »Ich meine, haben Sie vielleicht irgendeinen Verdacht gegen den Dönerladenbesitzer?«, erkläre ich.
    »Nein, ich habe nur großen Appetit auf einen Döner«, sagt er und läuft schnurstracks in das Restaurant rein und sucht sich den hintersten Tisch aus.
    Wir lehnen den Adolf, verschnürt wie eine Kohlroulade, neben uns an die Wand und setzen uns hin.
    Was für ein bösartiges Spiel treibt dieser Kerl eigentlich mit mir?
    Weiß er vielleicht, dass ich weiß, dass er mit den Nazis gemeinsame Sache macht?
    Weiß er, dass ich mir sein Geld geschnappt habe?
    Weiß er, dass ich in seinem Büro ein Nickerchen gemacht habe?
    Weiß er, dass ich bei der Nazi-Demo dabei war?
    Weiß er, dass Rudolf bei uns im Keller liegt und Adolf zu seiner Rechten an der Wand ruht?
    »Herr Engin, ist Ihnen irgendwas Verdächtiges aufgefallen?«, fragt er unvermittelt und reißt mich aus meinen tiefsinnigen Gedanken. Und zwar in einem Ton, als wäre ich ein Streifenpolizist, den er zum Rapport bestellt hat.
    »Meinen Sie wegen der allgemeinen Gammelfleisch-Hysterie?« |181| , tue ich ahnungslos. »Machen Sie sich deshalb keine Sorgen, Herr Knochenhauer, hauen Sie ruhig rein. Ich esse sehr oft in diesem Laden und hab mir außer einem Durchfall noch nie was eingefangen.«
    »Das meine ich doch nicht, Herr Engin«, schnauft er und verzieht den Mund. In seinem Unterton höre ich einen klitzekleinen Vorwurf, als hätte ich ihn absichtlich missverstanden und würde eigentlich ganz genau wissen, worum es geht. Oder bilde ich mir das alles nur ein? »Ach, übrigens, ich wollte Ihnen schon das letzte Mal sagen, dass Sie eine tolle Frisur haben.«
    Was soll denn jetzt die Anspielung auf meine Glatze?
    Mittlerweile habe ich ja so viel auf dem Kerbholz, dass alles, was er von sich gibt, bei mir große Schuldgefühle auslöst und ich mir ständig ertappt vorkomme. Der tote Adolf neben mir an der Wand verstärkt das alles nur noch!
    Ich beschließe, trotzdem keine Schwäche zu zeigen und schon gar nicht etwas zuzugeben, was er noch nicht bewiesen hat. Der soll sich vor mir in Acht nehmen!
    Ich weiß, dass er mit den Nazis zusammenarbeitet.
    Ich weiß, dass er von Frauenhändlern viel Geld kassiert. Aber ich weiß auch, dass er eine Pistole im Schulterhalfter hat und dass ich als Waffe nur dieses billige Besteck habe, das mir der Kellner vorhin auf den Tisch gelegt hat.
    Kommissar Knochenhauer stochert mit der Gabel in seinem Dönerteller herum, schnappt sich das knusprigste Fleischstück und befördert es gierig in seinen Mund.
    »Mmh   … köstlich!«
    Ich bleibe meinem Lieblingsgericht treu: Köfte mit Reis.
    Mir fällt auf, dass der tote Adolf es sich zur Gewohnheit |182| gemacht hat, mich ins Restaurant zu begleiten. Letztens war er mit mir beim Italiener, jetzt beim Türken. Zum Glück bestellt er im Gegensatz zu meiner Frau nie teure Gerichte und meckert auch nicht, dass der Rotwein nicht trocken und warm genug

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