Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
Mitglied der demokratischen Gesellschaft und halte freies Geleit für sein Grundrecht. Der Polizist, der ihm am nächsten stand, befahl ihm, still zu sein.
War seit der Ankunft der ersten Streife überhaupt mehr als eine halbe Stunde vergangen?
Kuhala stieg in Nevakivis Mondeo ein, der auf einem Rad- und Fußweg parkte. Seit der letzten Begegnung mit dem Kommissar hatte dieser ein paar Kilo zugelegt und durch die Arbeit einige Sorgenfalten bekommen, aber Kuhala konnte sich nicht genau erinnern, wie viel Zeit seitdem vergangen war.
In Jyväskylä ging es den Leuten schlecht, das war erforscht worden, kein Wunder, dass auch im Gesicht eines Polizisten die Furchen tiefer wurden. Wer sich hier in den frühen Morgenstunden von der Kneipe auf den Heimweg machte, bekam leichter eine Faust ab als in jeder anderen finnischen Stadt, die Mischkonsumenten irrlichterten im Kontinentalstil durch die Gegend, und an allen Ecken und Enden loderte die häusliche Gewalt auf.
Nevakivi sah Kuhala an, als versuchte er herauszufinden, was dieser dachte, bevor er von Amts wegen und unter Mobilisierung aller Kräfte danach stöbern musste. Er legte den Rückwärtsgang ein, kam aber nicht vom Fleck, bis er das Blaulicht einschaltete. »Gleich rufe ich einen Wasserwerfer. Ist ja die Hölle hier.«
Kuhala verbarg das Zittern seiner Schultern. Er spürte die Kühle unter der Brücke in den Muskeln. Der Leichenfund nagte mehr an ihm, als es nach dem entspannten Rudern angemessen war. Mit wenigen Sprüngen war er zu Helena Jokela hinaufgestiegen und hatte sofort erkannt, dass Erste Hilfe nichts mehr nützte. Der unnatürlich auf der Seite hängende Kopf, die zahlreichen Stichwunden im Brustbereich und die Schrammen im Gesicht hatten so furchterregend ausgesehen, dass nicht viel gefehlt hätte, und Kuhala wäre ins Wasser getaumelt.
Nevakivi schwieg bis zur nächsten Ampel. Erst dort stellte er das Blaulicht aus. Nebenan drängten Leute aus der Kirche. »Jetzt kann der eine oder andere wieder seinen Urlaub aufschieben, bis der Spielverlauf geklärt ist.«
Er trommelte aufs Lenkrad und erinnerte Kuhala daran, dass der Fall eine ernste Wendung genommen hatte, die mit der Kompetenz eines Privatdetektivs nicht mehr zu bewältigen war. »Du hast bestimmt beispielhafte Arbeit geleistet, weil du die Frau beim ersten Versuch gefunden hast. Und getan, was dein Auftraggeber verlangt hat. Jetzt kannst du dich wieder deiner anderen Arbeit widmen. Das ist übrigens keine Bitte. Nicht mal ein Ratschlag, sondern ein Befehl.«
»Ist Eero Jokela schon benachrichtigt worden?«
»Mach dir darüber keine Gedanken. Ich werde eine exakte Aussage von dir aufnehmen, du darfst mir alles erzählen, von dem Moment an, als Jokela dich angerufen hat. Das Ganze wird genau nach dem Schema ablaufen, das dir von früher her ja noch bekannt sein dürfte. Das heißt, dass du unsere Hauptinformationsquelle bist und wir uns jedes Mal an dich wenden werden, wenn Anlass dazu besteht.«
»Aber der Hauptverdächtige bin ich doch wohl nicht?«
»Du brauchst hier gar nicht auf witzig zu machen.«
Kuhala unterdrückte die Bemerkung, bei Nevakivi sei es schwieriger als bei jedem anderen Menschen, den er kannte, Witze zu machen. Immerhin war der Mann seit der ersten Begegnung so viel weicher geworden, dass er Kuhala duzte.
Der Kommissar fühlte sich seiner Sache verpflichtet, in seiner verhärteten Energie gab es keinen Platz für unnützes Gerede. Manch einer hätte ihn um seinen Intelligenzquotienten beneidet, auch um seine Körperfettprozente – trotz der paar Kilo zu viel – oder um jede andere messbare Eigenschaft, und es war nicht schwer, sich vorzustellen, dass er wie kein Zweiter das Fresko seines illusionslosen Weltbilds mit meterlangen Schrauben hinter der Stirn fixiert hatte.
Nevakivi war der Topmann des Jyväskyläer Präsidiums in der Urhonkatu, seinen Namen nannte die Zeitung in jeder auch nur einigermaßen bedeutsamen Polizeimeldung.
In seinem Büro wies er Kuhala einen Stuhl und rief einen Kollegen hinzu, bevor er das Aufnahmegerät einschaltete und Datum und Uhrzeit aufsagte. Der Polizeihauptmeister saß neben der Tür und mischte sich kein einziges Mal in den Wortwechsel ein.
Die in der Mitte gescheitelten blonden Haare und der gefügige Blick ließen Kuhala vermuten, dass der Polizeihauptmeister so lange als Kiebitz und Kaffeeholer zu fungieren hatte, wie es Nevakivi gefiel. Im Präsidium schien die Hierarchie noch immer so ungeniert zutage zu liegen wie in
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