Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
Kuhalas Polizistenjahren.
Er war sich nicht mehr über alle Einzelheiten der Ermittlungsbestimmungen im Klaren, aber ein wenig wunderte er sich schon über Nevakivis Taktik. Bisweilen kam es ihm so vor, als sei er doch der Hauptverdächtige, und die Bootsfahrt musste er bis auf jeden einzelnen Ruderschlag schildern.
Dennoch behielt sich Kuhala das Recht vor, die Besuche bei Vikman und beim Kajakverleih unerwähnt zu lassen, denn er besaß einen gewissen Berufsstolz und wollte nicht gleich alles ausplaudern. Das durfte die Polizei selbst herausfinden, schließlich wurde sie dafür bezahlt. Auch die Misshandlungsgerüchte aus dem Mund des Besen schwingenden Nachbarn behielt er für sich.
Nevakivi ahnte wohl den Handlungsverlauf, bekam ihn aber nirgendwo richtig zu fassen. Die Unsicherheit des Kommissars konnte man an den kleinen Ungeduldsdissonanzen in den Randbereichen seiner Stimme hören. Dies zu registrieren entspannte Kuhala.
»Ich kapiere nicht, wieso du direkt Kurs auf den Alvajärvisee genommen hast. Auf dem Tuomiojärvisee hätte es doch noch genug abzuklappern gegeben. Mit dem Ruderboot.«
Kuhala nahm das eine Bein vom anderen und legte die Handflächen auf die Oberschenkel. Er gönnte Nevakivi und dem links im Hintergrund sitzenden Polizeihauptmeister ein wohldosiertes Lächeln, ließ den Blick über die Gegenstände im Büro schweifen und zog seine Vorführung noch eine Weile in die Länge, bevor er die lächelnde Miene vom Gesicht wischte. Ein Lächeln war vielleicht ohnehin nicht angebracht, immerhin ging es um ein brutales Gewaltverbrechen. »Ich bin, ehrlich gesagt, gar nicht davon ausgegangen, etwas zu finden. Aber schau mal, Jokela hat seine Frau zuletzt mit dem Fernglas in der Nähe des Flusses gesehen. Und als ich dort hingerudert war, dachte ich einfach, ich wechsle mal den See.«
»Du hast im und am Tuomiojärvi also mit niemandem geredet?«
»Nein.«
»Und du hast die Frau zuvor in keinerlei Zusammenhang gesehen?«
»Ich hatte nur das Foto, das ich euch ausgehändigt habe. Das muss übrigens an Jokela zurückgegeben werden, ich habe keine Quittung dafür bekommen.«
»War auf der Brücke oder im Gelände jemand zu sehen, als du mit deinem Boot näher kamst?«
»Nein.«
»Da musst du einen ganz schönen Instinkt haben, dass du das Kajak an einer so schwierigen Stelle entdeckt hast.«
Kuhala erinnerte Nevakivi daran, in welcher Angelegenheit er auf dem See unterwegs gewesen war, auch wenn er zugeben musste, den Fund eher per Zufall als durch Instinkt gemacht zu haben. »Man muss die Augen offen halten. Das gilt bestimmt auch für euch hier. Wäre es besser gewesen, wenn ich Helena Jokela nicht gefunden hätte?«
»Wir kümmern uns um die Fragen, und du antwortest.«
Na also, dachte Kuhala. Vielleicht ärgerte sich Nevakivi, weil er seinen Urlaub verschieben und seiner Frau mitteilen musste, dass die Reise in den Süden ausfiel. In dem Mann der Pflichten konnten sich durchaus auch menschliche Züge verbergen. Der Frühling hatte die Kräfte des Kriminalkommissars aufgezehrt.
Nevakivi fragte mindestens zwei Mal, wie lange Kuhala unter der Brücke zugange gewesen war, bevor er die Polizei verständigt hatte. Vor allem nachdem er die Leiche entdeckt hatte. Als ehemaliger Polizist wisse er doch sicher, dass jeder Schritt am Tatort entscheidende Spuren verwischen konnte, und falls er irrtümlich zugunsten seiner Detektei herumgesucht habe, wäre es das Beste, auf der Stelle damit herauszurücken.
Der Kaffee aus dem Pappbecher schmeckte dünn. Der als Vernehmungszeuge anwesende Polizist war ausdruckslos geworden und wich Kuhalas Blicken aus, das schadenfrohe Insiderlachen auf dem Gang wurde von einer zuschlagenden Tür abgeschnitten.
Kuhala sagte, er sei von dem Fund so erschüttert gewesen, dass er gar nicht auf die Idee gekommen wäre, seiner Firma Meriten zu erwerben. »Ich habe euch sofort verständigt. Und gleich danach den Krankenwagen, obwohl kaum noch was zu machen war. Ihr könnt das anhand meiner Telefondaten überprüfen.«
Er hatte keine Lust, sich von den halb übelnehmerischen Anspielungen des Kommissars provozieren zu lassen, die nur verrieten, dass Nevakivi die schärfste Klinge abhanden gekommen war. Bildete sich der Mann wirklich ein, Kuhala hätte am Tatort Zigarettenstummel eingesammelt und mithilfe seines Krimikoffers Gipsabgüsse von Fußspuren genommen?
Nevakivi beugte sich nach vorne und schaute Kuhala an, als hielte er ihn von vornherein für einen Lügner,
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