Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
weitere Einzelheiten von der Liste ihrer Verdächtigungen auf, angefangen bei Antikainens seltsamen Fahrten nach Helsinki bis hin zu seinen ständig wechselnden Stimmungen und plötzlichen Ausbrüchen. »Im Lauf der Jahre lernt man den anderen kennen, da merkt man die Veränderungen.«
Für eine Weile ruhte das Gespräch. Kuhala lockerte den Kragen, Jeri schien sich zu entspannen und kämpfte mit halb geschlossenen Augen gegen den Schlaf. Er öffnete das Maul zu einem herzhaften Gähnen und machte es sich auf dem Boden gemütlich. Nicht einmal der über den Hof schallende Küchensopran der fröhlichen Witwe von Eingang B ließ ihn zusammenzucken. Kuhala sagte, die Polizei untersuche den Vermisstenfall mit allen Kräften. »Wenn ein Kollege bei der Ausübung seines Amtes verschwindet, geht das allen anderen Fällen vor.«
»Ich glaube nicht, dass Sakari bei der Ausübung seines Amtes gewesen ist.«
»Es geschah aber während der Dienstzeit.«
»Kann sein, dass ich etwas habe, das dir weiterhilft.«
Kuhala hätte am liebsten gesagt, alles Material müsse umgehend der Polizei zur Verfügung gestellt werden, aber es fehlte ihm dafür an Energie. Aila Antikainen liebte ihren Mann, oder zumindest etwas an ihm, vielleicht eine schon lange hinweggespülte Eigenschaft aus der Vergangenheit. Womöglich nahm sie an, Kuhala würde den Auftrag nach all dem Lob nicht ablehnen können.
»Hinter dem Spiegel in der Garage habe ich das hier gefunden.«
Sie gab Kuhala ein Notizbuch, das kaum größer war als ein Wehrpass. »Es war in Plastik eingeschlagen. Sakari hatte hinter dem Spiegel ein kindisches Geheimversteck.«
»Wie bist du auf die Idee gekommen, dort zu suchen?«
»Wir leben seit Jahren unter einem Dach. Habe ich das nicht gerade gesagt? Jetzt habe ich mich einfach mal getraut, den Spiegel und den Backstein wegzunehmen.«
In dem Buch standen zwei Namen und Adressen, mehr nicht. Warum hatte Antikainen sie in ein so primitives Versteck gelegt, wenn sie geheim waren? Damit sie gefunden wurden, wenn ihm etwas zustieß? Kuhala blickte von dem Büchlein auf und versuchte die Miene eines Superhelden aufs Gesicht zu locken, eines Helden, der sich im Bermudadreieck verschwundener Ehefrauen und Ehemänner wie zu Hause fühlt.
16
14. Juni Der Sommertag ging in den nächsten über, bevor Kuhala es richtig merkte. Wenn das Leben im gleichen Akkord seine Rätsel abspulte, blieben dann alle guten Vorsätze, »zur Ruhe zu kommen« und »zu klösterlicher Kontemplation zu finden«, bloß Hirngespinste? Solche halb garen Gedanken siedeten nämlich manchmal in seinem Kopf, allerdings schob er sie immer schnell ins Unterbewusstsein ab, wo sie dann auf ihre nächste Chance lauerten. Er wusste um seinen Selbstbetrug und dessen lächerliche Nuance, aber war es denn besser, immer nur den Alltag abzuspulen?
Wie zum Beispiel jetzt diesen Besuch beim Autohändler.
Aus der Ferne betrachtet gab der Mann, der da mit seinem Hund am Straßenrand entlangtrottete, Stoff für eine wehmütige Ballade ab, denn die beiden sahen einsam und in Gedanken versunken aus. Die Gitarre, die Kuhala über der Schulter hängen hatte, beeinträchtigte das Bild keineswegs. Er hatte sie aus der Werkstatt in der Rajakatu geholt, wo der Steg abgeflacht und die Mechanik gewartet worden war. Der engagierte Eigentümer hatte Kuhala noch einen Instrumentenbefeuchter verkauft und detaillierte Ratschläge zu dessen Gebrauch erteilt.
Am selben Morgen hatten sie für Jeri noch ein handgefertigtes, mit Reflektoren versehenes Ledergeschirr und eine Acht-Meter-Leine gekauft. Ein Tierarzt, der als kompetent bekannt war, hatte den Hund anschließend untersucht und gesagt, er habe noch weiß Gott wie viele Lebensjahre vor sich, falls er gute Pflege bekomme und so viel Wärme, dass er sich sicher fühle. Kuhala war davon überzeugt, gut genug für seinen Freund sorgen zu können.
Der dritte Weg führte in den Baumarkt, wo Kuhala sich nach einem bestimmten Modell von Eisdornen erkundigt hatte. Eine freundliche Verkäuferin hatte so schnell eine Bilderserie über Eisdorne und deren Eigenschaften und Preise aus dem Internet gezaubert, dass sie sämtliche halbseidenen Sketche über den trantütigen Kundendienst in Baumärkten beschämte. Nicht einmal die Tatsache, dass es im Juni nur dürftige Verwendung für Eisdorne gab, ließ ihr ein Stöhnen über die Lippen kommen. Sie war bereit, für Kuhala ein frisches Paar aus dem Lager zu holen.
Der Verkehr war reichlich, Abgase und der
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