Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
Bauchschmerzen. Ich komme nicht so voran, wie ich müsste, wahrscheinlich bin ich urlaubsreif. Aber im Feriendorf für Privatdetektive sind derzeit alle Häuschen besetzt. Habt ihr bei der Polizei in Vantaa nicht zufällig vergleichbare Vergünstigungen?«
»An die Vergünstigungen bei der Polizei wirst du dich ja noch erinnern können. Die haben sich seit deinen Dienstjahren nicht zum Besseren verändert.«
Sie wechselten die leicht verschrobenen, aber zarten Sätze von Verliebten und lachten selbst darüber, denn eigentlich hätte das Turteln aus der Teenagerzeit schon vor Jahren unwiderruflich in den Asphalt des Erwachsenseins gewalzt sein müssen. Kuhala hatte sich in dieser Art von Wortwechsel allerdings weiterentwickelt, und es bereitete ihm keinerlei Schwierigkeiten, »mein Herzenszäpfchen« oder »mein süßes Mäuschen« zu sagen oder sogar Zeilen einer schmalzigen Ballade aus dem Gedächtnis zu wühlen, die er allerdings dann doch nicht sang, sondern nur rezitierte.
Und es würde der Tag kommen, an dem er deklamieren würde: »Es sinkt dein Kopf an meine Brust, lass ihn lange dort verweilen …«
Sie verabredeten sich für die Woche vor Mittsommer und versprachen beide, die Möglichkeiten zu sondieren, sich zu zweit auf das Land zurückzuziehen. Kuhalas träumerischer Blick folgte dem Dampf, der aus der Suppentasse aufstieg und unter der Decke vom Luftzug des Oberlichts gekräuselt wurde. Er küsste das Telefon und lehnte sich auf dem Stuhl zurück, um vor seinem inneren Auge all die unvergesslichen Momente ablaufen zu lassen, die er mit Annukka erlebt hatte.
Sie war die Frau, der sein Herz gehörte. Wie sollte er so ein Leben auf die Dauer aushalten? Es genügte nicht, die dreihundert Kilometer Abstand allein mit der Kraft der Gedanken zuzuschütten, und die ein, zwei Begegnungen im Monat machten das Alleinsein anschließend noch schlimmer. Dennoch waren die Diskussionen über ein gemeinsames Leben unter einem Dach ins Stocken geraten, entweder weil sie beide die Risiken der Alltäglichkeit, die mit dem Zusammenleben verbunden waren, scheuten oder weil sie in den wenigen gemeinsamen Stunden etwas Besseres zu tun hatten, als sich mit stirnfaltigen Zukunftsüberlegungen zu beschäftigen. Und wenn Kuhala sich richtig erinnerte, war es Annukka, die als Erste das Thema wechselte, wenn es ernst wurde.
Er löffelte seine Suppe und aß zwei Scheiben Knäckebrot. Dann stand er seufzend auf, wusch das Geschirr ab und trank zum Runterspülen Wasser aus dem Hahn, das nach Chemikalien und leicht nach Fisch schmeckte und außerdem nicht kalt wurde, auch wenn man es noch so lange laufen ließ. Anschließend legte er sich auf den harten Boden, hob die Füße auf die Tischkante und versank für eine Viertelstunde in Halbschlaf. Der Kopf tat ihm weh, der Liebeskummer und der Mordermittlungskummer, die beide schwerelos auf der Umlaufbahn des Kopfes trieben, prallten ständig gegeneinander, aber irgendwie erkannte Kuhala, dass er das nicht zum ersten Mal erlebte, und mochte nicht anfangen zu jammern. Bei ihm wirkte, was das Alter verschliss, und nicht, was die Jugend verhieß. Also lieber nicht übertreiben.
Jeri hatte inzwischen seinen Magen gefüllt, er saß vorm Terrarium und wusch sich mit trägem Lecken. Die linke hintere Pfote ragte nach oben, es sah aus, als würde er Cello spielen.
Kuhala öffnete die Whiskyschublade, griff nach dem Notenbuch Die schönsten Liebeslieder , das er auf dem Flohmarkt der Stadtbibliothek erstanden hatte, und schmetterte für Annukka ein paar Liebesbekenntnisse. Die Begleitakkorde traf er nur tastend, und seine Stimme zitterte. Die oberen Lagen der Refrains zwangen ihn, die Lautstärke zu erhöhen, was bei dem Resonanzraum seines Brustkorbs allerdings kein Problem war.
Der Hund unterbrach sein Cellospiel und starrte Kuhala neugierig an, bis er mit einem wehmütigen Jaulsolo in das Lied einstimmte. Sein Register war schwer zu bestimmen, aber weil er schon so viel mitgemacht hatte, war Jeri ein Blueshund und brachte eine gewisse willkommene Rauheit in die Romanzen seines Herrchens ein.
Als Kuhala und Jeri nach ihrer Ruhestunde die Detektei verließen, stand der Junge auf der obersten Stufe der Betontreppe.
»Hallo, Kaarlo, wie geht’s?«
»Spielen wir?«
»Warum nicht. Ich muss eigentlich ein bisschen was arbeiten, aber ein kurzes Training ist schon drin. Du hast wieder die Schnürsenkel offen. Mach sie zu, damit du keine nassen Strümpfe bekommst.«
Kaarlo zog die Nase hoch
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