Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
gebracht – Gründe zum Streit gab es immer genug, auch wenn man sich nicht über den Endzeit-Consult echauffierte.
»Entschuldigung. Ich sollte die Frau aus dem Reihenendhaus treffen, aber sie macht nicht auf«, unterbrach Kuhala die Unterhaltung der Männer.
»Helmi ist walken.«
»Leck mich am Besen«, sagte Kuhala gedämpft und bedankte sich bei den Männern.
»Sie ist in die atomwaffenfreie Zone gegangen, ich kann Ihnen zeigen, wie man da hinkommt«, verkündete der Mann der letzten Tage energisch und kam im Laufschritt herüber, als fände er keine Sekunde Ruhe vor seinen Gedanken.
Jeri platzierte sich zwischen Kuhala und dem Mann und zog die Oberlippe nach oben.
»Der beißt doch nicht?«, fragte der Mann.
»Nein. Wenn er nicht gebissen wird.«
»Gehen Sie auf den Fahrradweg zurück und überqueren Sie beim Campingplatz die Fahrbahn, und dann nehmen Sie die Fußgängerunterführung und biegen links ab. Von da noch fünfzig Meter und dann bloß noch den Weg nach rechts. Da stiefelt Helmi entlang, das ist ihre Stammstrecke. Bisschen dickere kleine Person und unwahrscheinlich tüchtig. Hellrote Shorts und weißes Hemd.«
Das waren genaue Anweisungen, und die persönlichen Kennzeichen kamen so flüssig, dass Kuhala vermutete, der Mann habe mehr als einmal versucht, beim Nordic Walken dabei zu sein. Er bedankte sich und fragte, ob er das Auto auf dem Gästeparkplatz stehen lassen könne, während er die Frau suche. Der Mann zündete sich eine Zigarette an und drückte das Streichholz am Rasenrand in die Erde. »Es kann da bleiben.«
Er hatte ein schmales Gesicht, war einer von der Sorte blasser Marathonläufer mit Hühneraugen, und das halb wahnsinnige Glühen seiner Augen blickte direkt in die geräumige Abteilung der Seele, wo die Bilder vom Weltuntergang gelagert wurden.
»Haben wir uns schon mal gesehen?«, wollte Kuhala wissen. »Sie kommen mir irgendwie bekannt vor.«
Der Mann rauchte und richtete den Blick von Kuhala zum Himmel. Die Antwort erschöpfte sich in einem Kopfschütteln.
»Vor ein paar Tagen kauerte ich im Regen da drüben unter den Brücken überm Verbindungsfluss zwischen den Seen, und auf der Böschung gegenüber saß ein Mann, der eine Stimme hatte wie Sie und rauchte … Aber na ja, von der Zigarette konnte ich natürlich nur die Glut erkennen. Man sah nichts, weil es wegen der Wolken so dunkel war, aber der Mann sah keine Hoffnung für die Menschheit.«
»Und darum soll ich das gewesen sein? Es gibt auch noch andere, die aufgehört haben, eine Hoffnung für die Menschheit zu sehen. Aber wenn wir mal davon ausgehen, dass ich es war, was haben dann Sie dort gemacht?«
»Ich ermittle im Mordfall Helena Jokela. Und Sie – falls Sie tatsächlich dort waren – kamen auf die Frau zu sprechen, indem Sie ihr Schicksal mit dem Schicksal der Menschheit verglichen. Was hatten Sie dort verloren?«
Der Mann rauchte die Zigarette nur zur Hälfte und zermalmte sie mit der Schuhsohle. Für einen Moment leuchtete eine geistesgestörte Grimasse auf seinem Gesicht auf, das von der Abendsonne purpurrot gefärbt wurde, aber dann bekam er sein Mienenspiel wieder an die Kandare und begnügte sich damit, mit dem Finger auf Kuhala zu deuten. »Mischen Sie sich nicht in das Leben anständiger Leute ein, Sie! Ich bin nicht einmal der Polizei gegenüber verpflichtet, darüber Rechenschaft abzulegen, wo ich hingehe. Und auch wenn die Frau dort ihr Ende gefunden hat, besteht kein Grund, uns zu belästigen, bloß weil wir hier wohnen.«
»Es ist nicht meine Absicht, jemanden zu belästigen. Bei meinem Beruf muss ich aber Fragen stellen, das ist sozusagen lebensnotwendig. Sitzen Sie oft unter der Brücke?«
»Das geht Sie nichts an.«
»Kein Grund, sich aufzuregen. Als ich zu meinem Boot ging, griff mich jemand von hinten an und versuchte, einen ziemlich hässlichen Trick anzuwenden. Das war eine Überraschung. Ich verdächtige niemanden, aber wenn Sie tatsächlich unter der Brücke waren, haben Sie dann nicht zufällig jemanden gesehen? Außer mir.«
»Ich war aber nicht da. Ich hab in fünfzig Meter Entfernung eine Zweizimmerwohnung. Dort ist es angenehmer, sich vor dem Regen unterzustellen.«
Einen kurzen Moment lang war sich Kuhala sicher, der Mann würde seine Nachbarn zu Hilfe rufen, und dann würden sie ihn gemeinsam auf die Straße prügeln, aber der Mann gab sich mit einer halbseidenen Drohung zufrieden und machte auf dem Absatz kehrt. Vielleicht ärgerte er sich nur, weil es ihm nicht
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