Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
gerne mit dir hinfahren, Pippa.
Sie fuhr herum, aber außer ihr war niemand im Raum. Leo, dachte sie zähneknirschend, wo versteckst du dich? Kann ich dir denn nirgends entkommen? Eines muss ich dir lassen: Die Idee mit dieser Nachricht ist einfallsreich – du arbeitest wirklich mit allen Mitteln. Ich muss ernsthaft darauf achten, dass in mir keine Schneeschmelze einsetzt und du mich herumkriegst. Offensichtlich bin ich durch unkonventionelle Ideen gefährlich leicht zu beeindrucken.
Sie steckte den Zettel in die Tasche und betrachtete die wenig schmeichelhafte Karikatur des Malers. Das Bild passte zu Leo – sollte er tatsächlich zu etwas Ähnlichem wie Selbstironie fähig sein? Sie schüttelte den Kopf. Nicht Leo, nie im Leben. Wieder sah sie sich um. Wann hatte er die Nachricht hier deponiert? Saß er jetzt im Le Florida und wartete siegessicher auf sie? Falls ja, würde er vergeblich warten, denn sie würde keinesfalls zur gewünschten Uhrzeit erscheinen, um es herauszufinden.
Ich lasse mich nicht manipulieren, mein Lieber, dachte sie entschlossen und verließ eilig den venezianischen Raum. Nicht, dass Leo doch hinter einem der bodenlangen Vorhänge lauerte.
Pippa ging hinauf in den ersten Stock, um sich die Gemälde von Bonnard noch einmal anzusehen – diesmal ohne die Schüler. Sie traf auf Abel, der eine Mittelmeerlandschaft betrachtete. Ohne viel Umstände zog Pippa ihn am Ärmel zu einem anderen Gemälde.
»Schau mal – Die Fischer . Danach hast du doch bestimmt gesucht.«
»Fischer?«, antwortete Abel todernst. »Das Bild interessiert mich nicht – ich bin Angler.«
Sie stießen sich kichernd an und gingen gemeinsam weiter.
Rasch fiel Abel auf, dass Pippa nicht ganz bei der Sache war. »Du siehst dich ständig um – erwartest du jemanden?«
»Ich weiß nicht. Ich habe das Gefühl, mein Noch-Gatte schleicht hier herum.«
»Im gleichen Bus wie ich war er jedenfalls nicht«, sagte Abel, »außer mir sind nur Einheimische mitgefahren.«
Pippa winkte ab. »Er ist mit dem Auto nach Frankreich gekommen. Für öffentliche Verkehrsmittel ist er viel zu ungeduldig.«
»Sollen wir lieber gehen? Wenn du dich so unwohl fühlst … Mein Magen knurrt ohnehin mittlerweile.«
Pippa war erleichtert, dass Abel diskret genug war, nicht weiter nachzufragen.
»Du musst mir keinen Gefallen tun, Abel«, sagte sie. »Bist du sicher, dass du nicht lieber allein sein möchtest?«
»Ganz sicher. Ich leugne nicht, dass ich einen ausgewachsenen Lagerkoller habe, aber erfreulicherweise bist du ja kein fischfanatischer Kiemenkerl, der nur ein Gesprächsthema kennt, sondern ein charmantes Blinkerbaby.«
»Genau wie du.«
»So ist es.« Abel nickte lächelnd. »Und wir Blinkerbabys wissen Gott sei Dank, dass es auf der Welt noch andere schöne Dinge gibt, als den größten Fisch zu fangen.«
Sie holten ihre Sachen aus der Garderobe und schlenderten ein paar Meter bis zur Pont Neuf, die über die Garonne führte. Auf der alten Brücke blieben sie stehen und genossen schweigend den weiten Blick über das Wasser.
»So schön habe ich es mir nicht vorgestellt«, sagte Pippa schließlich und dachte: Und damit meine ich nicht nur diesen Ausblick.
Abel nickte. »Ich liebe die französische Architektur. Diese prachtvollen Fassaden, die schmiedeeisernen Balkone, die hohen Fenster: ein wundervolles Stadtbild.«
Sie stiegen zur Uferpromenade hinunter und suchten sich einen Platz auf einer Liegewiese. Abel holte ein kariertes Tischtuch aus seinem Rucksack und breitete es aus. Dann packte er Baguette und Käse aus, zog zwei Gläser hervor und öffnete den Wein. Während die beiden das einfache Essen und den leckeren Wein genossen, plauderten sie über die Galerie. Als sie ihren Hunger gestillt hatten, schenkte Abel noch einmal nach.
Mit dem Glas in der Hand blickte Pippa über das Wasser und fragte: »Wisst ihr schon, wie es weitergeht? Mit Teschke, meine ich.«
Abel seufzte. »Übermorgen ist der Termin für die Überführung. Wir begleiten ihn. Wir werden wohl die ganze Nacht durchfahren.«
Dann haben wir nur noch bis Montag Zeit, um dem Mörder auf die Schliche zu kommen, dachte Pippa, aber vielleicht findet Wolfgang das sogar gut, weil er glaubt, auf heimischem Territorium besser ermitteln zu können.
»Es beeindruckt mich, dass alle Kiemenkerle solidarisch sind und nach Hause fahren«, sagte Pippa. »Schließlich müsst ihr euren lang ersehnten Jahresurlaub vorzeitig abbrechen.«
»Das stimmt wohl. Aber es
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