Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
sie durch den rauschenden Regen kaum verstehen konnte.
Pippa wartete einen Moment, dann bat sie: »Du musst etwas konkreter werden, sonst wird auch mein Trost ein pauschaler sein. Pauschal und völlig wirkungslos.«
Unvermittelt grinste Tatjana und drehte sich zu Pippa um. »Hat dir schon mal jemand gesagt, wie widerlich unbeeindruckt du sein kannst? Ich ziehe hier alle Register einer echten Drama-Queen, und du fragst ganz pragmatisch nach den Gründen.«
»Pragmatisch hat man mich noch nie genannt«, sagte Pippa. »Im Gegenteil, es hieß immer: Pippa, komm aus deinem Wolkenkuckucksheim oder Pippa, bitte mehr Sachlichkeit, die Welt ist kein Zirkus .«
»Ach nein, kein Zirkus? Fühlt sich aber ganz so an.«
Die beiden lächelten sich verschwörerisch zu.
Dann atmete Tatjana tief durch. »Also gut, dann öffnen wir mal das Glas mit dem Eingemachten.« Sie zögerte kurz, fuhr dann aber fort: »In meinem Leben gibt es zwei Dinge, die ich mir fast verzweifelt gewünscht habe: Gerald heiraten und mit ihm eine Familie gründen. Ich mag auf dich nicht gerade mütterlich wirken, aber ich wollte immer unbedingt Kinder. Am liebsten zwei oder drei.«
»Mütterliche Typen werden generell überbewertet. Die riechen nach Aufopferung und Klammern«, warf Pippa ein. »Ich ziehe Eltern vor, die einfach nur lieben.«
»Ja, nicht wahr? Genau so habe ich es mir vorgestellt, und ich hielt Gerald für den idealen Partner, um diesen Wunsch zu verwirklichen.«
»Habt ihr denn nie darüber gesprochen? Hast du ihm nicht gesagt, dass du unbedingt Kinder möchtest?«
Tatjana winkte ab. »Unzählige Male. Mindestens so häufig wie Ich liebe dich, das kannst du mir glauben.«
»Und er?«
»Das ist es ja. Er war absolut einverstanden. Er freut sich auf Kinder und kann es kaum erwarten, hat er geschwärmt. Das ist es ja, was mich so wütend macht. Hätte er gesagt, dass er sich zu alt fühlt oder aus irgendeinem anderen Grund keine Kinder möchte, hätte ich das akzeptiert. Zwar schweren Herzens – aber ich hätte es akzeptiert.«
»Deine Liebe zu ihm ist größer als dein Wunsch nach Kindern?«
»Vergangenheitsform, wenn ich bitten darf. Dieser Mann hat meine Liebe nicht verdient.« Wütend schlug sie mit der Hand auf das Brückengeländer.
»Was ist passiert?«, fragte Pippa sanft.
»Seit Jahren versuche ich, schwanger zu werden, und es hat nie geklappt. Gut, dachte ich, das ist anderen Paaren auch schon so gegangen. Aber Gerald ist schließlich Arzt, der kennt sich aus und kann sich Rat bei Kollegen holen. Wir werden das hinkriegen, ganz sicher.«
Pippa gab der aufgelösten Frau Zeit, sich wieder zu sammeln, und stellte keine weiteren Fragen. Sie glaubte Tatjana, dass diese trotz des langen, vergeblichen Wartens auf eine Schwangerschaft weiterhin auf die Erfüllung ihrer Wünsche gehofft hatte – mit Geralds aktiver Unterstützung.
»Ich bin von Arzt zu Arzt gerannt. Zu sämtlichen Kapazitäten, die Gerald als kompetent erachtete und zu denen er Vertrauen hatte. Man sagte mir schließlich, das Problem läge bei mir.«
»O Tatjana, das tut mir leid. Aber wieso bist du wütend auf Gerald? Hat er dich deshalb fallenlassen?«
Vehement schüttelte Tatjana den Kopf. »Zuerst dachte ich auch, das wäre der Grund für seine Veränderung. Er zeigte plötzlich immer weniger Interesse an mir und der Umsetzung unserer Familienpläne. Er wurde leichter wütend, er war nur noch selten zu Hause, er war nicht mehr der Mann, in den ich mich verliebt hatte. Er stand ständig unter Strom. Wie ein Dampfdrucktopf. Und ich reagierte mit Vorwürfen und dummen Spielchen, um wieder seine Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Pascal?«
»Das war die dümmste Idee von allen.« Sie seufzte schwer. »Jedenfalls haben Gerald und ich uns immer weiter voneinander entfernt. Wir redeten kaum noch. Ich bestand darauf, ihn in diesen Urlaub zu begleiten, weil ich hoffte, hier kämen wir uns wieder näher. Ohne das tägliche Einerlei.«
»Und das hat nicht geklappt.«
»Allerdings nicht. Gerald ist ständig allein unterwegs und macht sich nicht nur den Kiemenkerlen, sondern auch mir gegenüber rar.«
Deshalb die getrennten Unterkünfte, dachte Pippa. Sie zuckte zusammen, als Tatjana wieder mit der Faust auf das Geländer schlug.
»Und jetzt weiß ich auch, warum: Er hat sich in Toulouse untersuchen lassen, um herauszufinden, ob es möglich ist, seine Sterilisierung rückgängig zu machen!«
Unvermittelt packte sie Pippa bei den Schultern. »Kannst du dir das
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