Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
mal versucht, den Auftrag für die Toilette des Stausees zu stornieren. Dafür opferte er lieber sein Haus in der Rue Cassoulet. Er war wie besessen davon, dass niemand etwas merkt – vor allem sie nicht.«
»Alles nur aus Angst vor Gesichtsverlust und aus verletztem Stolz?« Pippa konnte es nicht glauben.
»Alles, um nicht beichten zu müssen, was er dann tat. Er war außer sich vor Wut wegen Jean. Ich denke, es ist seinem Zorn geschuldet, dass er …« Der Polizist zuckte mit den Schultern.
»Dass er dann was tat?«, drängte Régine-Une ihn zum Weiterreden.
»Thierry Didier erteilte der Polizei die schriftliche Anweisung, seinem Sohn eine bestimmte Nachricht zukommen zu lassen. Jean war volljährig, also geschah das auch. Und Jean blieb verschwunden.«
Pippa schlug das Herz bis zum Hals, als sie Paul Dupont fragend ansah.
»Thierry hat seinem Sohn verboten, sich je wieder bei ihm blicken zu lassen.« Paul Dupont seufzte. »Es steht alles in der Akte. Er tobte auf dem Revier wie ein Wilder und schwor, dass er Jean nie wieder in Catelines Nähe lassen würde. Er werde mit seiner jungen Frau ein neues Leben beginnen – so als habe Jean nie existiert.«
»Er hat es all die Jahre gewusst und Cateline nichts gesagt«, flüsterte Pippa erschüttert und fügte in Gedanken hinzu: Und umgekehrt.
»So viel zur Musterehe der Didiers«, sagte Régine-Une. »Unter Vertrauen und Ehrlichkeit verstehe ich etwas anderes.«
Pierre Dupont, der in der Zwischenzeit gespült hatte, kam an den Tisch. »Habe ich es nicht gesagt? Es ist nicht gut, alte Akten zu öffnen.«
Pierre Dupont begleitete Pippa nach draußen.
»Wir wollen den beiden ein wenig Zweisamkeit gönnen«, sagte er betont mürrisch.
Du hast eben doch ein weiches Herz, dachte Pippa, wenigstens dafür sind die Liebesschnulzen gut. Vielleicht sollte ich auch mal wieder eine lesen. Ein bisschen heile Welt wäre genau, was ich jetzt brauchen könnte.
Der Gendarm gab ihr noch die Empfehlung mit auf den Weg, sich so schnell wie möglich in Sicherheit zu begeben, dann verabschiedete er sich auf seinen Posten in der Gendarmerie.
Mit einem Blick auf den sich verdüsternden Himmel schulterte Pippa den Rucksack und machte sich auf den Weg in die Rue Cassoulet.
Tibor kam sofort aus seinem Wohnwagen, begrüßte sie erfreut und informierte über die Fortschritte im Haus. »Gott sei Dank sind die Fensterläden termingerecht gekommen. Alles ist montiert – der Sturm wird vergebens daran rütteln.«
»Ich habe etwas für Sie«, sagte Pippa, zog Pias Umschlag aus ihrer Umhängetasche und gab ihn Tibor.
Dieser öffnete das Kuvert und holte die Geldscheine heraus. »Sehr willkommen!«, sagte er begeistert. Er steckte das Geld in die Hosentasche und fuhr fort: »Meine Crew und ich haben uns als Sturmhelfer gemeldet. Diese kleinen Jungs hier finanzieren uns die Wärmflasche danach.«
»Dann sehe ich euch später im Vent Fou. Ich habe mich mit der Vorstellung, dass der Sturm euren Wohnwagen durchschüttelt, ohnehin nicht wohl gefühlt. Meldet euch später bei mir, ich gebe einen aus.«
»Was denn?«, fragte Tibor zweifelnd. »Heißen Kakao?«
»Mit Schuss.«
Pippa bat Tibor um eine Taschenlampe und ließ sich von ihm die Falltür zum Kriechkeller öffnen. Sie wollte einige der Zeitungsartikel von der Voodoowand holen, um sie Pia zu zeigen.
Nur noch dies und das Gespräch mit Pascal, dann schreibe ich meinen kleinen Bericht für Pia, dachte Pippa. Ich hoffe, ihr reicht die Gewissheit, dass in ihrem Haus kein Mord geschehen ist – und sie behält alles andere für sich, bis die Legrands und die Didiers wieder selber miteinander reden.
Sie kletterte in den Kanal, der jetzt viel feuchter war als bei ihrem ersten Besuch. Die Wassermassen, die bei den starken Regenfällen hindurchgeflossen waren, hatten die Voodoowand fast komplett mitgerissen; lediglich ein Foto von Pascal samt Rattenschwanz hatte überlebt. Enttäuscht sah sie, dass auch die Zeitungsartikel verschwunden waren. Sie leuchtete den Tunnel aus in der Hoffnung, noch Reste zu finden, und entdeckte die Bruchstücke einige Meter weiter.
Obwohl sie zerrissen waren, versuchte Pippa, die Fragmente vorsichtig von der Wand abzulösen, um sie später zu trocknen und zusammenzukleben. Als sie aus der schwarzen Tiefe des Tunnels Stimmen hörte, erstarrte sie mitten in der Bewegung.
»Was ist da los?«, rief Tibor aus dem Kriechkeller und kam durch das Loch in der Mauer zu ihr.
»Scht!« Pippa winkte Tibor zu sich
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