Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
anrief.
»Dein Weinhändler ist im Urlaub«, teilte ihr die Freundin aufgeregt mit. »Es hängt ein Schild in der Tür, dass der Laden zurzeit Betriebsferien hat.«
»Danke, Karin. Dieses Puzzleteilchen hat mir noch gefehlt.« Pippa erzählte vom anonymen Brief an Cateline und umriss in kurzen Worten, zu welchen neuen Erkenntnissen sie in der Zwischenzeit gelangt war. »Jean Didier ist also putzmunter und sitzt in einem Elsässer Gefängnis«, schloss sie ihren Bericht. »Sowohl Cateline als auch Thierry wussten genau, dass er nicht tot ist, haben das aber seit Jahren voreinander verheimlicht. Für mich ist das Rätsel gelöst.«
»Für mich nicht«, sagte Karin.
»Was fehlt dir denn noch?«, fragte Pippa erstaunt.
»Was Franz Teschke damit zu tun hatte, zum Beispiel. Du hast mir gerade erzählt, dass er sich mitten in der Nacht mit Cateline treffen wollte und ihr eine Nachricht von Jean versprochen hat. Leider ist er nicht mehr in der Lage, uns höchstpersönlich dazu Auskunft zu geben.«
»Verdammt, du hast recht.«
»Ich freue mich, das zu hören, es ist ein so seltenes Vergnügen.«
Pippa überhörte die Anspielung. »Was schlägt die große Detektivin also als nächsten Schritt vor?«
»Stell Pascal zur Rede«, sagte Karin bestimmt. »Es muss irgendeine rationale Erklärung für dieses Durcheinander geben, sonst wäre ich doch nicht …«
»… auf ihn reingefallen?«
»… auf seine Vorschläge eingegangen«, vollendete Karin ungerührt. »Frag ihn also, was das alles sollte, und vergiss vor allem eines nicht …«
»Ja?«, fragte Pippa gespannt.
»Mich anschließend anzurufen und mir brühwarm zu berichten.«
»Ich weiß, dass ich mit ihm reden muss, aber am liebsten würde ich mich davor drücken.« Pippa stöhnte. »Was soll ich ihm denn sagen? Wie fange ich an?«
»Ist doch ganz einfach: Du konfrontierst ihn mit deinen Erkenntnissen«, sagte Karin. »Ich denke, es war so: Pascal hat Jean Didier im Gefängnis kennengelernt und so vom Vent Fou erfahren. Als Pascal wieder draußen war, hat er sich mit seinem Weinkumpel Jan-Alex Weber unauffällig in der Gegend umgesehen, sich bei der Paradies-Wirtin beliebt gemacht und dafür gesorgt, dass sie ihn im Vent Fou einführt. Und jetzt sitzt er fest im Sattel, und Jan-Alex Weber guckt als Alexandre Tisserand verkleidet seelenruhig zu.«
»Schön und gut. Und wirklich plausibel. Aber warum?«
»Was warum ?«
»Warum taucht Weber als Tisserand in Chantilly auf?«, überlegte Pippa. »Er hätte doch einfach mit den Kiemenkerlen herkommen können. Als Jan-Alex Weber. Wozu diese Maskerade?«
»Er wird einen triftigen Grund haben.«
»Das ist mir klar«, gab Pippa zurück, »aber welchen?«
»Was weiß ich? Vielleicht wollte er nicht, dass man ihn erkennt, weil das Pascals Pläne gefährdet hätte. Er musste eben sichergehen, dass alles rund läuft, bevor er sich hinter seiner Staffelei hervorwagt.«
Pippa sah die schönen Bilder vor sich, die unter seinen Händen entstanden waren. Er malt mit geradezu religiöser Andacht, dachte sie – und hielt den Atem an, als sie begriff.
»Hallo, bist du noch da?«, drang Karins Stimme an ihr Ohr.
»Religiöse Andacht! Malerei! Ikonen!«, rief Pippa elektrisiert. »Das ist es! Der Mann sitzt gar nicht mehr im Gefängnis.«
»Wie bitte? Ich verstehe nicht.«
»Meine Liebe, ich muss dringend etwas erledigen, ich rufe dich später wieder an«, sagte Pippa ungeduldig und beendete das Gespräch, ohne Karins Protest zu beachten.
Aufgeregt rannte sie zu den Zeitungsausschnitten auf der Heizung. Sie nahm Blatt für Blatt zur Hand und studierte sie.
Da war der Beweis! Sie sank auf einen Stuhl und starrte auf das Zeitungsfragment. Es zeigte ein Foto des vermissten Jungen, mit der Bildunterschrift: Jean-Alexandre Didier, 18 Jahre.
Pippa schlug sich vor die Stirn und rief: »Gott, war ich blöd!«
Kapitel 29
P ippa stand vor der Schwingtür zur Restaurantküche des Vent Fou und atmete langsam ein und aus.
Jetzt bist du reif, Pascal, dachte sie, aber vorher muss ich ruhig werden. Einatmen, ausatmen …
Durch das Bullauge in der Tür sah sie die gesamte Brigade auf Hochtouren arbeiten; auch Lisette und Ferdinand halfen mit. Alles musste vorbereitet sein, wenn der Sturm über den Ort hereinbrach. Wie ein Dirigent seinen Taktstock schwang Pascal einen Kochlöffel und delegierte die Aufgaben, die von seinen Helfern mit einem im Chor gebrüllten »Oui, Chef!« in die Tat umgesetzt wurden. Dann ging der Koch an
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