Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
und knipste ihre Taschenlampe aus. Sie drückten sich in eine Mauernische. Der Lichtstrahl einer Lampe und die Stimmen kamen näher.
»Falls Sie wetten möchten, wer da kommt …«, bot Tibor leise an.
»Wäre unfair. Ich weiß, wer kommt«, gab Pippa zurück.
Die Besucher waren nur noch wenige Meter entfernt, als Pippa aus der Nische sprang, die Taschenlampe anknipste und das Licht direkt auf den ersten von ihnen richtete.
»Guten Tag, Thierry!«, rief sie.
Thierry Didier blieb wie angewurzelt stehen. Eric, der älteste der Viererbande, konnte nicht rechtzeitig reagieren und rannte gegen seinen Vater. Thierry stolperte nach vorn, und aus dem Eimer, den er in den Händen hielt, schwappte ein Schwall Seifenwasser über Pippa und Tibor.
Thierry schnappte nach Luft. »Pippa, haben Sie mich erschreckt!«
»Das hätte ich auch ohne diesen Kommentar gemerkt«, sagte Pippa und sah an ihrer triefenden Jacke hinunter. »Ihre Reaktion war unmissverständlich.« Sie prustete und brach in Lachen aus, in das die Männer einstimmten.
»Was um Himmels willen wollen Sie hier mit dem Putzwasser?«, fragte Pippa, nachdem sich alle wieder beruhigt hatten.
»Die Wand reinigen«, erklärte Thierry, und Eric nickte. »Wir wollten nicht, dass der Regen alles in den See spült.«
»Lobenswert, aber zu spät«, sagte Pippa. Sie deutete auf das Foto an der Wand. »Das ist alles, was vom Versuch Ihrer Söhne, Ihr familiäres Problem zu lösen, noch übrig ist. Vielleicht wäre es an der Zeit, sich mal mit Ihrer Frau an einen Tisch zu setzen und endlich auszupacken?«
Thierry runzelte besorgt die Stirn. »Aber Cateline …«
»… wird Ihnen nicht weglaufen«, fiel Pippa ihm ins Wort. »Ganz bestimmt nicht. Das verspreche ich Ihnen.«
Zurück im Erdgeschoss lehnte Pippa das von Tibor angebotene Handtuch dankend ab. »Auf dem Weg zum Vent Fou werde ich ohnehin wieder nass.« Sie deutete nach draußen in den leichten Regen.
Sie nahm den Rucksack hoch und wollte gehen, als Tibor sie aufhielt. »Einen Moment noch«, sagte er, ging zu einem Spind und schloss ihn auf. Er holte ein paar Wettscheine heraus und gab sie Pippa.
Sie blätterte durch die Scheine.
»Die sind ja alle von Franz Teschke.«
Tibor nickte. »Eben. An wen soll ich seine Einsätze zurückgeben?«
»Sein Erbe und Nachlassverwalter ist Lothar Edelmuth. Aber behalten Sie das Geld doch – für Ihre Auslagen und Ihren Aufwand.«
Tibor riss die Augen auf. »Sind Sie sicher?«
Seine sichtliche Fassungslosigkeit machte Pippa stutzig. »Wieso – wie viel Geld ist es denn?«
»Zweitausend Euro!«
Auf dem Weg zum Vent Fou grübelte Pippa, wie Teschke, der stets klamme Kleinrentner, auf legalem Wege zu so viel Geld gekommen sein könnte. Erst die dreitausend Euro aus dem Futterboot, jetzt seine Wetteinsätze.
Sie sah sich die selbstgemachten Wettscheine näher an: Teschke hatte gegen seine Kollegen gewettet, so sicher war er sich gewesen, dass sein Fang der Siegerfisch des Wettbewerbs werden würde. Er hatte jeweils hundert Euro pro Kilo zum Nächstplatzierten gesetzt, ein schönes Sümmchen – kein Wunder, dass jemandem der Kragen geplatzt war.
Aber wem?
Im Vent Fou herrschte Trubel, denn der Veranstaltungssaal wurde mit Hochdruck zur Notunterkunft umfunktioniert. Freiwillige Helfer schleppten Feldbetten, Tische und Stühle in den Raum und bauten alles auf. Pippa schlängelte sich durch die Leute und stieg sofort in ihre Wohnung hinauf, um sich trockene Kleider anzuziehen.
Danach ging sie zum Fenster und stellte fest, dass ihr Fernglas schon wieder vom Schreibtisch auf die Fensterbank gewandert war.
Wer ist der Spion, der mein Zimmer und mein Fernglas benutzt?, fragte sich Pippa. Es muss jemand sein, der an den Generalschlüssel kommt – also Pascal, Lisette oder Ferdinand. Und von euch dreien, Pascal, bist du der Wahrscheinlichste. Sie sah hinüber zum Camp der Kiemenkerle. Der Regen war stärker geworden, und die durchnässten Männer kämpften gegen den Wind, während sie das Lager abbauten, um alles in den Bus zu laden.
Pippa setzte sich an den Tisch und öffnete die Mappe, in der sie die feuchten Zeitungsfragmente aus dem Tunnel transportiert hatte. Vorsichtig löste sie die Fetzen voneinander und strich sie auf weißem Papier behutsam glatt. Dann legte sie die Artikel auf den Blättern zum Trocknen auf die Heizung.
Sie wollte gerade ihren Computer hochfahren, um im Internet nach Informationen über die Symptome von Pseudologie zu suchen, als Karin
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