Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
verschwinden.
Neugierig ging sie zum Fenster. Zu ihrer Überraschung verstaute die Frau ihre Tasche und weitere Einkäufe, die ein Verkäufer ihr nachtrug, auf einem grasgrünen Motorroller. Auf die hintere Hälfte der Sitzbank war ein großer Drahtkorb montiert, von dem ein beschrifteter Wimpel flatterte. In drei Sprachen forderte er auf: Schlafen Sie im Paradies.
Bevor die Dame den Korb verschloss, setzte der hilfreiche Verkäufer vorsichtig mehrere große Packungen Eier auf die Einkaufstasche. Man verabschiedete sich voneinander, dann schwang die Frau sich auf den Roller. Die Räder gaben besorgniserregend nach. Die Hünin startete den Motor und knatterte flott vom Hof.
Das waren mindestens fünfzig oder sechzig Eier, dachte Pippa. Wenn Herkuline weiter so rasant fährt, gibt es noch vor dem Ziel Rührei!
Sie sah sich nach Pascal um und entdeckte ihn am anderen Ende des Hofes: Er scherzte mit zwei jungen Mädchen, die ihn unverhohlen anhimmelten. Es war Pippa unbegreiflich, wieso der fröhliche Koch keine Partnerin hatte. Alle Frauen schienen sich um ihn zu reißen, und selbst Tatjana buhlte um seine Aufmerksamkeit.
Pascal ist alles, was eine Frau sich wünschen kann, dachte Pippa. Er ist ein begnadeter Koch, nicht ganz blöd, charmant und ehrlich. Er ist der Erbe eines nicht unbeträchtlichen Anwesens. Wieso hat so ein Schmuckstück noch keinen Ring am Finger?
Gemeinsam verstauten sie die Einkäufe im Wagen. Nachdem Pascal sich ausgiebig von jedem der Mitarbeiter des Hofs verabschiedet hatte, machten sie sich auf den Weg nach Revel.
»Hat es dir gefallen?«, fragte Pascal. »Hast du alles probiert?«
Pippa nickte und erwiderte sein Lächeln. Einen Moment kämpfte sie mit sich, dann platzte sie heraus: »Wieso gibt es keine Frau in deinem Leben?«
»Die Damen wollen immer nur das eine von mir – dass ich für sie koche.« Er setzte ein harmloses Dackelgesicht auf. »Wenn sie das Vent Fou zum ersten Mal sehen, sind sie schwer beeindruckt. Aber irgendwann schwant ihnen, dass sie als Ehefrau nicht mehr bedient werden, sondern selbst bedienen müssen. Dann darf ich noch genau einmal für sie kochen, und die Diät machen sie beim Nächsten. Vorzugsweise in Toulouse, bei einem gutbezahlten Mitarbeiter von Airbus. Bei dem droht nicht vierundzwanzig Stunden Arbeit an dreihundertfünfundsechzig Tagen im Jahr.«
Pippa musste lachen. »Jetzt übertreibst du aber ein wenig … du hast doch auch mal Winterpause. Aber im Ernst: Nicht alle Frauen sind so. Ich würde mich an deiner Stelle mal richtig auf die Suche machen.«
Pascal wurde ernst und blickte angestrengt über das Lenkrad hinweg auf die Straße. »Das tue ich ja gerade«, murmelte er.
Als sie in Revel einen Zwischenstopp einlegten, ging Pascal zur Bank, und Pippa schlug den Weg zum Marktplatz ein. Die Straßencafés unter den Arkaden ringsum waren gut gefüllt. Sie schlängelte sich durch die Tische und betrat die Touristeninformation, die sich im historischen Marktgebäude auf der Mitte des Platzes befand.
Interessiert sah sie sich die Auslagen mit den zahlreichen Prospekten an. Museen, Klöster und Weingüter und das Buchdorf Montolieu wurden angepriesen. Mitten in den Bergen leben die meisten Menschen hier in erster Linie von Büchern, las Pippa. Es gibt mehr als zwanzig Buchhandlungen und Buchbindereien sowie ein Museum, das sich der Kunst der Grafik und des Drucks verschrieben hat.
Ein Dorf nach meinem Geschmack, dachte Pippa. Ich fürchte, ich werde seinen Erhalt mit meinem kompletten Budget unterstützen.
Sie entdeckte noch ein Faltblatt über die Burg von Saissac, von der Tisserand behauptet hatte, man könne dorthin bequem mit dem Fahrrad fahren.
Klar, dachte Pippa, nachdem sie auf der Straßenkarte den Anfahrtsweg mit seiner beachtlichen Steigung studierte hatte, wenn das Fahrrad im Kofferraum eines Autos liegt …
Sie durchblätterte einen Prospekt über Angelmöglichkeiten der Region, als eine hübsche Frau auf sie zukam und ihr die Hand zur Begrüßung hinstreckte.
»Guten Tag, Pippa. Freut mich, dass du den Weg zu uns gefunden hast. Ich habe dich schon erwartet. Ich bin Régine, die Freundin von Pia.«
»Wie hast du mich erkannt?«, fragte Pippa verdutzt.
»Ich hatte eine perfekte Beschreibung von dir: ein Wasserfall roter Locken – vorzugsweise unter einem Strohhut mit echten Blumen …«
Pippa lachte und musterte Régine, die ein kunstvoll zu einem Turban geschlungenes Tuch um den Kopf trug, unter dem ein paar brünette
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