Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
schweigend nebeneinander, ohne sich anzusehen.
Pippa fragte sich schon, ob die beiden wieder auseinandergehen würden, ohne auch nur ein Wort miteinander gewechselt zu haben, als Ferdinand plötzlich zu Thierry sagte: »Immer, wenn wir uns treffen, gerät die Welt aus den Fugen.«
Thierry starrte auf den Kühlwagen und antwortete, ohne Ferdinand anzusehen: »Weil wir nicht zugeben wollen, dass es irgendwann einmal genug ist.«
Ferdinand nickte. »Deshalb müssen wir reden, Thierry. Die Zeit ist reif. Lass uns zu deinen Jungs gehen.«
Pascal machte eine unwillkürliche Bewegung, als wollte er den beiden folgen, besann sich dann aber eines Besseren und verschränkte stirnrunzelnd die Arme vor der Brust.
Pippa blickte den beiden nach, als sie die Treppe hinaufstiegen, und sah, dass Ferdinand auf dem Damm ein Gespräch mit den Didier-Söhnen begann und dem Jüngsten durch die Haare strich. Dann wurde sie vom Eintreffen eines Polizeiwagens abgelenkt, der mit Schwung auf den Parkplatz einbog und einige Meter vom Kühlwagen entfernt mit quietschenden Reifen stoppte. Gendarm Dupont und Vinzenz Beringer stiegen aus.
Beringer gesellte sich zu Tisserand, der etwas abseits stand und die Szenerie so aufmerksam beobachtete, als wollte er sie später aus dem Gedächtnis malen. Dupont holte mit grimmigem Gesicht seine Uniformjacke aus dem Kofferraum, schlüpfte hinein und zog sie mit ärgerlichen Bewegungen glatt.
Auf dem Armaturenbrett entdeckte Pippa einen Liebesroman. Himmel hilf – das ist überhaupt nicht gut für uns, dachte sie, Dupont im Nackenbeißer-Modus.
Missmutig stapfte der Gendarm zum Kühlwagen und starrte mit zusammengekniffenen Augen auf die geöffnete Tür. Wolfgang Schmidt ging auf ihn zu, aber bevor er etwas sagen konnte, fuhr Dupont ihn an: »Sie schon wieder! Und wieder in der Mittagsruhe!«
Pippa kannte Schmidt mittlerweile gut genug, um ihm anzusehen, dass er am liebsten ebenso heftig reagiert hätte. Aber er riss sich zusammen und erklärte dem Polizisten knapp und in klaren Worten die Sachlage.
Dupont neigte den Kopf zur Seite und lauschte mit geschlossenen Augen. Dann blickte er Schmidt vorwurfsvoll an und sagte: »Ein Unfall also. Und dafür holen Sie mich mitten in der sieste hier raus? Der Herr bleibt da drin doch bestimmt noch bis zum Nachmittag frisch, oder?«
Ungläubigkeit malte sich in den Gesichtern der Umstehenden. Aber sie waren von der unerwarteten Reaktion des Polizisten so überrumpelt, dass alle nickten.
Dupont machte keine Anstalten, ins Innere des Kühlanhängers zu klettern. Stattdessen ging er darum herum und entdeckte schließlich das deutsche Nummernschild, was seine Laune schlagartig verbesserte.
»Deutsch, oder?«, rief er begeistert. »Ein deutsches Auto – ein deutscher Toter. Somit liegt der Mann nicht auf französischem Gebiet. Damit haben wir nichts zu tun. Darum brauchen wir uns nicht zu kümmern.« Er strahlte über das ganze Gesicht und verschränkte zufrieden die Arme vor der Brust.
»Das ist nicht Ihr Ernst, Kollege, das könn…«
Dupont unterbrach Schmidts Protest mit einer lässigen Handbewegung. »Wenn deutsche Angler ihren toten Kameraden herumfahren wollen«, sagte er mit einem Achselzucken, »dann ist das ihre Sache.« Bedenklich wiegte er den Kopf. »Angler – schon ein komisches Völkchen.«
Er tippte kurz seine Mütze an, drehte sich um und ging zurück zu seinem Auto. In aller Ruhe knöpfte er seine Uniformjacke auf und öffnete den Kofferraum, um sie hineinzulegen.
Wie die anderen sah Schmidt ihm offenen Mundes nach. »Wie … was war das bitte? Was soll ich daraus lernen?«
Pippa seufzte. »In Chantilly-sur-Lac sollte besser nichts an einem Mittwoch passieren.«
»Von wegen … nicht mit mir«, sagte Schmidt entschlossen und sprintete hinter seinem französischen Kollegen her.
Der Disput am Polizeiwagen wurde so laut geführt, dass alle mithören konnten. Trotz Schmidts deutlichen Protestes bekräftigte Dupont, dass er keinerlei Problem damit habe, wenn der Tote umgehend nach Deutschland überführt würde.
»Wer soll den Totenschein ausstellen? Wir müssen einen Arzt rufen«, verlangte Schmidt.
Dupont winkte ab. »Darum wird sich der Bestatter kümmern. Ich kenne einen, der international arbeitet. Der kann alles Weitere übernehmen«, sagte er und erklärte die Diskussion damit für abgeschlossen. »Ich fahre Sie gern hin.«
Wolfgang Schmidt zögerte kurz und nickte dann. Er ging um den Wagen herum und wollte einsteigen, als er
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