Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
»bis eben war hier alles so friedlich.«
»Ja, ich freue mich auch, mit dir zu sprechen.« Schmidt versuchte, ironisch zu sein, aber die Aufregung in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Ich war halb verrückt vor Sorge! Wir wollten schon einen Suchtrupp organisieren, als plötzlich dieser Felsbrocken von Frau im Lager auftaucht und herumschreit, dass sie sofort einen Kommissar braucht! Ich habe mich fast nicht aus dem Zelt getraut! Und was sie mir erzählt hat, trug auch nicht gerade zu meiner Beruhigung bei. Brauchst du einen Arzt?«
Prompt bekam Pippa ein schlechtes Gewissen. »Nein, es ist alles in Ordnung mit mir, wirklich. Ich habe nur ein aufgeschürftes Knie und bin ansonsten wieder trocken und warm. Bitte entschuldige meine zickige Begrüßung, aber ich bin wirklich todmüde und hatte gerade keine Lust auf niemand.«
»Das klingt aber gar nicht nach dir, meine Liebe. Bist du ganz sicher, dass du völlig …«
»Mir fehlt nichts, was ein guter Nachtschlaf nicht wieder geradebiegen könnte.«
Schmidt lachte leise. »Das hat dein Wachhund gerade auch sehr deutlich gemacht. Sie will, dass du ausschläfst, und zwar so lange du willst. Ich darf dich erst morgen Nachmittag besuchen – und muss auf jeden Fall vor dem Dunkelwerden wieder verschwinden.«
»Régine hat dich beeindruckt!« Bei dieser Vorstellung konnte Pippa sich ein Kichern nicht verkneifen.
»Wie bitte? Das ist Régine? Die Régine, die uns die Jean-Didier-Akte besorgen will? Die habe ich mir aber ganz anders vorgestellt. Obwohl: In Gegenwart dieser Frau würde Monsieur Dupont wahrscheinlich lieber selber einen Mord gestehen, als sich Ärger einzuhandeln.«
»Nein, die Gendarm-Dupont-Dompteuse ist eine andere Régine. Régine-Une, sozusagen. Régine-Deux gehört das einsame Haus oben auf dem Berg. Das Paradies.«
»Ach, deshalb konnte sie dich so problemlos unterbringen.«
»Hat sie dir denn nicht die Adresse gegeben?«, fragte Pippa verwirrt.
»Sie wollte wohl ganz sichergehen, dass ich nicht sofort losstürze, um dich zu besuchen. Sie hat lediglich die Telefonnummer rausgerückt.«
»Du meine Güte. Warum macht sie denn so ein Geheimnis daraus?«
»Sag ich doch: Wachhund. Vielleicht wusstest du es noch nicht, aber du hast jetzt offenbar einen Bodyguard, vor dem auch ich mich fürchte. Sie will mich morgen mit ihrer Vespa hier abholen.« Schmidt lachte leise. »Wie soll das gehen? Legt sie mich an die Kette, und ich laufe nebenher? Oder schiebe ich sie und den Roller den Berg hinauf?«
Pippa kicherte. »Jetzt weißt du ja, wo ich bin. Du brauchst ihren Service also nicht in Anspruch zu nehmen.«
»Das stimmt. Zu laufen ist mit Sicherheit die weniger abenteuerliche Variante.«
»Eh ich es vergesse: Hat sie zufällig nach Bruno gefragt?«
»Was heißt hier gefragt ?«, gab Schmidt zurück. »Sie hat ihn sich unter den Arm geklemmt und ist mit ihm in die Brasserie abgedampft. Wenn ich das richtig verstanden habe, unter der Androhung, ihm die Speisekarte rauf und runter zu bestellen und sein Schicksal zu deuten.«
Pippa lachte laut auf. »Das ist also die Verabredung, die sie hatte!«
»Wie bitte? Verabredung?«, fragte Schmidt verständnislos.
»Vergiss es, es ist nicht wichtig«, antwortete Pippa, »aber das erinnert mich an etwas anderes. Ich habe am Picknickplatz Geralds Smartphone gefunden.«
»Oh – Gott sei Dank!«, rief Schmidt. »Dann kann er aufhören, unsere Zelte zu durchwühlen. Gerald hat uns schon völlig verrückt gemacht. Er führt sich auf, als hätte er Herztabletten verloren, ohne die er die nächsten zwei Stunden nicht überlebt.«
Pippa stöhnte innerlich. »Auch wenn du ihm jetzt sagen kannst, wo es ist – benutzen kann er es leider nicht mehr.«
»Verstehe: Du bist damit durch die Wasserrinne geschossen. Das erklärst du ihm aber bitte selbst. Du weißt doch, der Überbringer der schlechten Nachrichten …«
»Feigling. Dann sag es Tatjana, wenn du dich nicht traust, dem großen Vorsitzenden selbst entgegenzutreten. Und sag ihr auch noch, dass eine Textnachricht zu lesen war.« Pippa versuchte, sich an den Inhalt der Nachricht zu erinnern. »Es war etwas wie Ergebnis wie schon erwartet. Keine Wiederherstellung möglich. Und dann der Name einer Privatklinik: Hôpital Saint-Georges, Toulouse. Unser Herr Doktor wird bestimmt wissen, was gemeint ist. Genauer kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.«
»Kein Wunder – bei allem, was du hinter dir hast«, sagte Schmidt. »Ich komme dann
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