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Tote gehen nicht

Tote gehen nicht

Titel: Tote gehen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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neben mir?«
    Piedro räusperte sich verlegen.
    »Sehen Sie schon nach.«
    Piedro blätterte in seiner Liste. »Frau Rita Funke hat Kabine L 163.«
    Guido erhob sich und schlug ihm auf die Schulter. »Alles klar, Junge.«
    Am Buffet stellte er sich einen Fisch-, Muschel- und Krabbenteller zusammen. Wenn man schon einmal auf dem Meer war, dachte er sich. Als er mit seinem Teller an seinen Tisch zurückkehrte, stellte er verwundert fest, dass die Gesichter in der Runde irgendwie ein wenig anders aussahen als vorher, wohingegen die Kleidung unverändert festlich war. Aber da zwei Stühle frei waren, ließ Guido sich nieder und stach zufrieden in ein Filet. Er wusste nicht von jedem Tier, das sich auf seinem Teller tummelte, wie es hieß, noch aus welchen Gewässern es stammte, aber es war keines unter ihnen, das auf seine Art nicht köstlich zubereitet war.
    Als er bei einem Kellner – Piedro schien abgetaucht – einen trockenen Rotwein bestellte, raunte ihm dieser zu: »Das ist Tisch 4, mein Herr, Sie haben sich geirrt.« Er zeigte auf das silberne Schildchen in der Mitte, auf dem die Zahl 4 stand. »Sehen Sie! Ihr Tisch hat aber die Nr. 12. Ich bringe Sie hin, wenn Sie gestatten.«
    »Ich gestatte nicht«, winkte Guido ab.
    Allgemeines Gemurmel und Besteckklappern setzte ein. Kurz darauf ruckelte jemand an Guidos Stuhllehne.
    »Das ist aber mein Platz«, sagte eine beleidigte Stimme hinter ihm.
    Als der Mann sich anschickte, sich neben ihn zu setzen, legte Guido seine Hand auf die Sitzfläche und sagte mit vollem Mund: »Besetzt.«
    Da stand plötzlich Piedro neben ihm, beugte sich zu ihm und begann leise auf ihn einzureden. Er möge sich bitte an Tisch 12 begeben, Ordnung an Bord müsse eben sein.
    Guido wurde laut. »Ich bleibe hier sitzen! Und wenn du dich auf den Kopf stellst!«
    Das Buffet stand nicht mehr im Mittelpunkt. Hier und da wurden Köpfe gereckt, mancher Passagier stand auf, um besser sehen zu können. Eine Sensation. Ein beginnender Skandal. Das Ende der Vornehmheit. Andere Kellner eilten Piedro zu Hilfe. Es schien sich ein Tumult anzubahnen. Da ertönte eine Stimme aus dem Lautsprecher:
    »Dr. Schramm, bitte zur Rezeption!«
    Abwartende Stille im Galaxy Restaurant.
    »Dr. Schramm, bitte dringend zur Rezeption!«
    »Kann man denn hier nicht mal in Ruhe essen?!« Guido ließ sein Besteck fallen, sprang auf, drängelte sich an den Tischen vorbei und machte sich unter lautem Protest auf den Weg. Im Vorübergehen entdeckte er seine Zimmernachbarin, inmitten anderer langweiliger Gesichter. Er blieb stehen.
    Sie trug wieder dunkelblau, dieses Mal in Seide, tief ausgeschnitten und ärmellos. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Guido an. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Ihre Hand fiel auf den Tisch und das Messer klirrend zu Boden. Der Platz neben ihr war frei.
    »Dr. Schramm, bitte dringend zur Rezeption!«
    Guido raufte sich die Haare. Dieses Schiff war kein Luxusdampfer, es war ein Narrenschiff. Wenn man vom Personal auf den Kapitän schließen konnte, musste das Schiff spätestens am Felsen vor Gibraltar zerschellen.
    Guido setzte sich neben sie, der Lautsprecher schwieg, die Runde an Tisch 12 stellte sich tot, seine Nachbarin sendete feindliche Signale. Guido ließ sich von Piedro nachschenken und wollte gerade erneut das Buffet aufsuchen, als seine Nachbarin ihn leise fragte: »Sie wollen Dr. Schramm sein?«.
    Er legte den Kopf schief und sagte: »Den Doktor können Sie weglassen.«
    »Sie sind nicht Dr. Schramm«, behauptete sie.
    »Ich werde wohl noch wissen, wie ich heiße!«, protestierte Guido lahm, dachte: Da haben wir den Salat, und gratulierte sich zu seiner Intuition.
    Eine Situation wie diese hatte er vorausgesehen und befürchtet. Er hatte von Anfang an Bedenken gehabt, als sein Bruder Edgar ihm einfach seinen Personalausweis per Post zuschickte und am Telefon zu beruhigen versuchte: »Kein Mensch kennt dich und mich, Guido, kein Mensch kommt auf die Idee, dass du mit meinem Personalausweis unterwegs bist. Setz dir ne Brille auf, geh zum Friseur, lass dir die Haare schneiden und den Schnurrbart abnehmen. Keiner wird mit dem Zollstock nachmessen, wie klein du bist!«
    »Und wenn doch, werfen sie mich über Bord.«
    Edgar hatte ihn ausgelacht. »Diese Zeiten sind vorbei. Du bleibst doch in der EU. Wenn du keine silbernen Löffel stiehlst oder Drogen schmuggelst, interessiert sich niemand für dich. Oder du verzichtest, du hast die Wahl. Dann verfällt der Gewinn eben. Die Reisepapiere

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