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Tote gehen nicht

Tote gehen nicht

Titel: Tote gehen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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lehnte sich abwartend zurück. Kurz darauf sah er, wie Rita Funke mit dem Handy am Ohr auf den Balkon trat und in den Himmel schaute.
    »Ich bin’s Rita ... Kannst du mich hören? ... Ist es jetzt besser? ... Gut. Du weißt bestimmt, wo Edgar steckt.«
    Guido horchte auf und beugte sich vor.
    »Er geht nicht an sein Handy.«
    Guido stand leise auf und duckte sich hinter die Palme, die neben der Abtrennung stand.
    »Mir geht’s gut, danke, aber ich muss unbedingt mit Edgar reden. Er ruft sonst regelmäßig an, aber seit ein paar Tagen hat er sich nicht mehr gemeldet. Es wird ihm doch nichts passiert sein?«
    Guido schob seine Baskenmütze vor und zurück. Telefongespräche, dachte er seufzend, bei denen man nur einen Gesprächsteilnehmer belauschen kann, erforderten nicht nur die ganze Konzentration, sondern jede Menge Fantasie.
    »Du musst es mir sagen! ... Warum denn nicht?« Rita Funke drückte das Gespräch fluchend weg, warf ihr Handy hinter sich auf den Balkontisch und beugte sich weit über die Reling. Fast schien es, als wolle sie sich in die Fluten stürzen. Guido wurde nervös. Er konnte nicht besonders gut schwimmen. Einen Menschen aus dem Wasser retten zu müssen, wäre ihm nicht möglich. Auch wenn es nicht so kalt war wie zu Zeiten der Titanic, war er doch kein Leonardo di Caprio. Guido entdeckte einen Rettungsring, der an der Reling hing, und räusperte sich erleichtert.
    Rita Funke drehte den Kopf zu ihm. Sie wollte schon weglaufen, als er sie fragte: »Warum wollen Sie mit meinem Bruder reden?«
    Sie trat wütend gegen die Reling und lachte auf.
    »Edgar sollte statt meiner hier sein, nicht wahr?«, fragte Guido. »Wie kann er nur! Mit einer Frau wie Ihnen würde jeder bis ans Ende der Welt gehen.« Nach einem Moment fügte er hinzu: »Ich übrigens auch.«
    Rita lächelte.
    »Er wäre auf jeden Fall viel lieber hier mit Ihnen … Hat er Ihnen denn überhaupt gar nichts gesagt?«
    Sie trat wieder gegen die Reling. Das Geländer zitterte.
    Guido räusperte sich. »Ich könnte versuchen, ihn zu ersetzen!«
    Rita schüttelte den Kopf.
    »Sie und er«, fragte er weiter, »Sie sind ein Paar, nicht wahr?«
    Rita Funke nickte mit dem ganzen Oberkörper. Sie hörte gar nicht mehr auf damit. Dann stieß sie ein gedehntes »Jaaaa« hervor.
    »Dann war der Gewinn also für 2 Personen?«
    »Welcher Gewinn?«, fuhr sie ihn an.
    »Edgar sagte, er hätte diese Kreuzfahrt hier gewonnen.
    Sie lachte verächtlich und rüttelte an der Reling. Plötzlich schien ihre Wut in Angst umzuschlagen. »Hoffentlich ist ihm nichts passiert!«, stieß sie hervor.
    »Sprechen Sie ihm doch auf die Mailbox und sagen Sie ihm, was für ein linker Vogel er ist.«
    Entsetzt schüttelte sie den Kopf.
    Als Guido ihr vorschlug, sie könne auch sein Telefon benutzen, um Edgar anzurufen, da schreckte sie zurück und stolperte rückwärts in ihre Kabine, drückte die Tür zu und zog geräuschvoll den Vorhang vor.
    Guido verzog sich wieder in seine Balkonecke. Edgar hatte ein böses Spiel gespielt, mit Rita und mit ihm. Er hatte sie manipuliert wie Marionetten. Rita, die ihn liebte, und ihn, den armen Bruder, der sich nichtsahnend gefreut hatte. Guido konnte sich nicht erinnern, dass Edgar früher so kühl kalkuliert hatte. Er war stets der gute und brave Sohn gewesen. Immer korrekt, immer pflichtbewusst. Der Vorzeigesohn! Was hatte ihn so verändert?
    Nach einer Weile trat Rita wieder heraus und sah lange aufs schwarze Mittelmeer hinaus. Sie strich sich den Pony aus der Stirn. Sie hatte sich beruhigt. Wenn er nicht irrte, lächelte sie.
    »Na?«, fragte Guido Schramm aus seiner Balkonecke.
    Sie drehte ihm ihr Gesicht zu. »Ich lasse mir meine schöne Reise doch nicht von so einem Mann verderben! Mögen Sie nicht herüberkommen? Auf ein Glas Wein? Es ist so eine wunderbare Nacht.«

4. Kapitel
    12. Mai, 17.30 Uhr Roetgen-Monschau-Einruhr
    Dr. Edgar Schramm hielt kurz inne. Er hatte Dedenborn nach einem steilen Anstieg hinter sich gelassen und eine breite Fahrspur erreicht. Ein Wegweiser zeigte nach links leicht bergab, 2,5 km nach Einruhr. Nur noch 2,5 Kilometer bis zu seinem heutigen Etappenziel. Er hatte es fast geschafft.
    Ein leichtes Rauschen lag in der Luft. Das Krächzen eines Vogels war zu hören. Edgar musterte den grauen Himmel und kniff die Augen zu. Es war kein richtiger Regen, der aus den Wolken fiel, aber durch seine Brillengläser schien es, als ob die Luft aus abertausend Wassertropfen bestünde. Es war auch kein richtiger

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